1.1 Demokratiebildung als pädagogisches Konzept
Insbesondere Anfang der 2000er Jahre verstärkte sich der Diskurs in der Politikdidaktik darüber, ob sich die politische Bildung stärker an der Lebenswelt der Lernenden orientieren sollte. Gefordert wurde eine Abkehr von der Vermittlung rein abstrakten Wissens über Politik, begründet dadurch, dass diese Art der Wissensvermittlung nicht mehr zeitgemäß, beziehungsweise aufgrund der veränderten Probleme, die Kinder und Jugendliche betreffen, nicht mehr ausreichend wäre. Orientiert an John Deweys Leitidee der Demokratie als Lebensform, ergab sich das Konzept der Demokratiebildung, das zum Ziel hat, das Inhalte über Demokratie durch demokratische Handlungsweisen erlernt werden und sich Demokratie im praktischen Handeln der Akteur*innen in der Schule manifestiert. Auftrieb erhielt dieser Ansatz außerdem durch die PISA-Studien in den Jahren 2000 und 2003, in denen deutsche Schüler*innen in dem Bereich der „sozial-kooperativen Fähigkeiten erhebliche Defizite“ aufwiesen (Himmelmann/Lange 2005: 14). Daraus erwuchs die Forderung, das erzieherische Wirken der Schulen zu stärken und den Schüler*innen weniger konzeptionelles Wissen und dafür deutlich mehr Handlungskompetenzen zu vermitteln (ibid.). Im Kern steht, dass politische Bildung fortan weit über den Politikunterricht hinausgeht und stattdessen eine ganze Schulkultur begründet, an der sich jedes Handeln in der Schule orientiert (Himmelmann 2004: 2-3). Durch Formen des sozialen Lernens sollten Schüler*innen zu mündigen Bürger*innen erzogen werden und in der Schule an politischen Prozessen, beziehungsweise allgemein an der Gestaltung des Zusammenlebens partizipieren.
1.2 Erlass zur Stärkung von Demokratiebildung in Niedersachsen
Im Sommer 2021 veröffentlichte das Niedersächsische Kultusministerium den Erlass zur Stärkung der Demokratiebildung und gab damit für niedersächsische Schulen Demokratiebildung als gesamtschulisches Ziel aus. Dabei stellt dies nicht die erste institutionelle Verankerung von Demokratiebildung dar, sondern die Grundideen fanden sich beispielsweise schon im Beschluss der Kultusministerkonferenz im Jahr 2009, der Demokratie zum zentralen Ziel der politischen Bildung machte. Dennoch markiert der Erlass einen bedeutenden Punkt in der Etablierung von Demokratiebildung in Schulen, indem er allgemeinbildende Schulen in Niedersachsen dazu verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um demokratische Erfahrungsräume darzustellen.
Im Folgenden werden Sie sich im Detail mit dem Erlass auseinandersetzen und anschließend an den spezifischen Schlussfolgerungen für die Ganztagsschule arbeiten.
Wenn Sie den ganzen Erlass lesen wollen, können Sie ihn sich hier als PDF-Datei herunterladen.
1.3 Der OECD Lernkompass 2030
Der OECD Lernkompass 2030 ist ein Konzept, dass vor dem Hintergrund der Frage "Welche Kompetenzen brauchen Schüler*innen in einer vernetzten Welt?" erarbeitet wurde. Es handelt sich dabei um ein interdisziplinäres, internationales und generationenübergreifendes Konzept, in dessen Mittelpunkt die Schüler*innen stehen und das sich mit dem Wohlergehen der Gesellschaft und des Planetens beschäftigt. Aufbauend auf dem intrinsischen Wert des Lernens passt der Lernkompetenz die Wissens- und insbesondere die Kompetenzvermittlung an die veränderten Anforderungen auf der Welt an.
1.4 Der Whole-School-Approach
"Whole-School-Approach" ist ein Begriff aus der Schulentwicklung. Es geht bei diesem Ansatz um die gemeinsame Ausrichtung aller schulischen Aktivitäten (deshalb Whole-School) auf die Ziele der nachhaltigen Entwicklung. Die nachhaltige Entwicklung ist also gesamtschulisches Leitbild, an dem sich bei der Gestaltung des Unterrichts, der schulischen Einrichtungen sowie der außerunterrichtlichen und außerschulischen Aktivitäten orientiert werden muss.
Die folgende Grafik erklärt den Whole-School-Approach. Sowohl Grafik als auch die Texte wurden von der Dutch Cooperation Leren voor Morgen erstellt und sind verfügbar unter der Creative Commons Lizenz CC-BY-NC-SA 4.0. Quelle