Alternative Prüfungsformate für zeitgemäßes Lernen
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Feedback
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Thema dieser Lerneinheit
Prüfungsformate sind stark vom Feedback bestimmt, das die Lernenden erhalten. Hier steht auf der einen Seite das summative, auf der anderen Seite das formative Feedback. In diesem Audio-Interview wird der Schieberegler und damit verbundene Änderungen an Prüfungen vorgestellt.
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Expand Collapse Das Transkript zum Audio finden Sie hier.
Jöran Muuß-Merholz: Wir wollen über Feedback sprechen mit David Tepaße. Er ist stellvertretender Schulleiter am Gymnasium Harsewinkel. Und in Sachen Feedback gibt es ja einen Regler mit den zwei Polen ‘summativ’ und ‘formativ’. David, magst du anfangen, das jetzt einfach erstmal zu erklären, vielleicht auch in einem Beispiel.
David Tepaße: Ja, ich gehe vielleicht mal erst auf die Begrifflichkeiten ein. Also, Feedback ist erstmal eine Rückkopplung, also eine Rückmeldung, die ich gebe. Formativ heißt jetzt ‘im Lernprozess begleitend’ und ‘summativ’ steht dem so ein bisschen gegenüber, das ist zusammenfassend am Ende. Das schließt sich beides nicht aus. Häufig ist es in Schule aber so, dass insbesondere das Summative im Vordergrund steht und das Formative sehr selten betrachtet wird. Dabei würden wir mit unseren Beispielen vor allem den Fokus legen auf das formative Feedback und haben deswegen diesen Schieberegler da reingesetzt. Ich habe ein Beispiel mitgebracht, was verlinkt ist, das ist ein Beispiel aus meiner achten Klasse, ein Informatik-Beispiel. Da geht es darum, dass als Produkt so eine Software entwickelt wurde, so ein kleines Spiel entwickelt wurde von den Schülerinnen und Schülern. Entscheidend ist erstmal, dass die Schülerinnen und Schüler selbst Kriterien für dieses Spiel definiert haben. Die haben sich überlegt: Was soll unser Spiel überhaupt können? Also, ganz beispielhaft: Soll es irgendwie mit einer Maus spielbar sein, soll es irgendwie schwierig genug sein, aber nicht zu schwierig sein, also: Sie haben selbst ein Raster festgelegt, was das ausmachen soll. Ich denke, das macht auch schon mal eine ganze Menge aus, dass man so Kriterien festgelegt hat, dass Schüler das eben auch selbst gemacht haben. Dann hatten sie jetzt insgesamt drei Doppelstunden Zeit, an diesen Sachen zu arbeiten, in Kleingruppen. Während dieser Zeit hatte ich – das hat auch Distanz stattgefunden, geht aber auch sehr gut in Präsenz, das Ganze – viel Zeit, weil meine Schülerinnen und Schüler selbstständig gearbeitet haben an ihren Projekten. Ich habe die Zeit genutzt, um ihnen dialogisches Feedback anzubieten, das heißt, jeder konnte mich dazu holen, sobald er das wollte, und wir haben darüber gesprochen. Dabei ging es natürlich nicht darum, dass ich denen gesagt habe, wie das funktioniert, das geht ja auch gar nicht, weil das sind deren Projekte, sondern ich habe eher Fragen gestellt, wo wollt ihr eigentlich hin. Vielleicht sollte man an der Stelle sagen: Felix Winter, der ist da eine Art Koryphäe in dem Bereich von Feedback, was er auch heraushebt beim dialogischen Feedback, da geht es nicht darum, dass ich denen was vorgebe, natürlich nicht, sondern die darauf aufmerksam mache, wo es gerade den Lernprozess verstopft: Warum kommt ihr nicht voran? Das ist eine typische Frage dabei.
Integriert in dieses Projekt war auch eine einen Zwischen-Feedback, das war in der zweiten Doppelstunde, wo ich einmal eine Besprechung mit denen angesetzt habe, das ist also eine eine stärker organisierte Besprechung, wo die vorgestellt haben, was sie machen, und ich zu diesem Stand ein Feedback aufgegeben habe davon, dass ich jenes bis zu dem Zeitpunkt zum Beispiel völlig okay finde oder dort noch nachgearbeitet werden müsste, weil ja nachher eine Abgabe da steht – also, das ist quasi das eine und das andere Feedback, was da rein kam. Und dann gab es ganz zum Schluss – wobei das nicht der Schluss ist, sondern es ging dann noch weiter – aber der Schluss dieses Projektes, da gab es Peer-Feedback noch, wo die Schülerinnen und Schüler sich gegenseitig noch gefeedbackt haben, in so einer großen Runde dieses Spiel vorgestellt wurde und alle haben gegenseitig dann sich ein schriftliches Feedback dazu auch noch gegeben: Wie wurde das produzier? Wurde anhand der Kriterien auch gearbeitet? Gerade da bietet sich Peer-Feedback im Allgemeinen an, dass Kriterien eben da sind, die für alle sichtbar und nachvollziehbar sind, zumal da sie im Idealfall auch selbst erarbeitet wurden – und man hat natürlich eine hervorragende Möglichkeit, mit denen dann über ihre Lernprodukte zu sprechen und dazu auch ein gutes Feedback zu geben.
Jöran Muuß-Merholz: Während du das beschrieben hast, wurde mir gerade noch mal klar, dass tatsächlich unser Verständnis von Prüfungen inzwischen so stark zugeschnitten ist auf dieses abschließende Momentum, dass wir fast nicht mehr Prüfungen aufwenden können für das Begleiten. Inwieweit verschiebt sich dann tatsächlich auch vielleicht ein Verständnis von Lernen und inwieweit trägt das zu zeitgemäßer Bildung bei?
David Tepaße: Ja,, ich glaube, Lernen und Leisten, das wird ja ganz … – also, es gibt ja eine Menge von Leuten, die das gerne trennen wollen. Ich glaube, das ist falsch. Also, Lernen und Leisten, zumindest in dem Kontext, wie ich es bisher lebe, gehören irgendwie zusammen – und gerade dieses formative Feedback zeigt ja auch, dass es wichtig ist, das zusammenzunehmen, und das sollte auch mit in den Blick genommen werden. Es kann nämlich nicht so sein, dass nachher nur dieses Produkt nach am Ende da steht und bewertet wird, sondern gerade der Weg dahin ist auch ein wichtiger Schritt – und der sollte auch mit angezogen werden in dieser Sache. Insofern ist es, glaube ich, ein wichtiges und zeitgemäßes Instrument, eben das Format schon mit zu begleiten.
Jöran Muuß-Merholz: Wie können erste Schritte aussehen, wenn ich jetzt erstmal den Regler ein Stück weit verschieben will?
David Tepaße: Ja, ich glaube, das kann ganz niederschwellig sein. Also, wie ich das gerade schon angedeutet hatte bei dem Beispiel: Das ist etwas, was ganz gut geht, ist ein dialogisches Feedback, was wahrscheinlich auch viele in ihrem Prozess integrieren können. Wenn ich eine Gruppenarbeit oder Partnerarbeit habe, habe ich ja Zeit als Lehrperson, kann mich ein bisschen zurücknehmen, kann rumgehen und mit den Schülerinnen und Schülern Gespräche führen, über den Stand und über die Sachen, die sie jetzt gerade machen. Ein etwas weiterer Schritt hingegen wäre, dass man tatsächlich konkrete Termine setzt, wann ein Feedback nach vorgelegten Kriterien erfolgt – je länger so ein Projekt läuft, könnte man sogar mehrere von diesen Zyklen da einbauen. Ich hab das mal im Rahmen eines Projektes mit drei Feedbackschleifen durchlaufen, wo quasi zu jeder Feedbackschleife ein besonderes Kriterium mit in den Blick genommen wurde, von dem Schüler oder der Schülerin auch selbst vorgenommen wurde, und wir dann an dieses Kriteriums ein Feedback-Gespräch geführt haben. Ich glaube, das kommt ganz auf die Zeit und die Zeitdimension dieses Projektes an.
Jöran Muuß-Merholz: Das scheint mir ein Regler zu sein, bei dem es weniger um ein entweder-oder geht im Vergleich zu anderen Reglern.
David Tepaße: Ja, absolut.
Jöran Muuß-Merholz: Sprechen wir noch über andere Regler, du hast du schon angedeutet. Wo gibt es da einen starken Zusammenhang zu diesem Regler?
David Tepaße: Ja, also, zu ganz, ganz vielen! Der Zeitregler ist mit Sicherheit ein großer Punkt, den man da einbringen kann, weil sich gerade so großes Projekt natürlich anbietet. Wenn ich ein ganz kleines Projekt oder so eine typische Klassenarbeit habe, ist da ja kaum Möglichkeit für ein formatives Feedback, dann bin ich stark bei dem summativen Feedback. Je länger das Projekt ist, desto wichtiger ist glaube ich dieser Schieberegler dabei, und desto mehr Schleifen kann man auch im Feedbackverfahren durchlaufen. Ein weiterer Schieberegler ist wahrscheinlich auch der Raum, zumindest könnte ich mir das in diesem Setting gut vorstellen. Ich habe sehr gute Erfahrungen gemacht, diese Feedback-Gespräche auch im digitalen Bereich zu führen, also auch Zuhause in geschützter Umgebung, also im vier- oder sechs-Augen-Gespräch zu führen, weil Schule tatsächlich manchmal beengte Bedingungen bietet. Wenn ich mir jetzt vorstelle: Ich führe ein Gespräch in einem Klassenraum, wo 30 Schülerinnen und Schüler sitzen, ich möchte aber nur mit zweien sprechen, ist das manchmal ganz schwierig. Auch der Flur ist dann meist keine gute Ausweichmöglichkeit. Produkt ist auch wieder ein ganz naheliegender Schieberegler hierbei, weil das häufig Produkte sind, die irgendwie im Vordergrund stehen. Also: Einer ganz klassischen Klausur mit einem formativen Feedback zu begegnen ist ganz schwer, also steht klar bei meinen Sachen ganz häufig ein Produkt auch im Vordergrund, was dann gefeedbackt wird.
Jöran Muuß-Merholz: Gibt es noch etwas, was man zu diesem Thema sagen sollte?
David Tepaße: Ja, ich würde Felix Winter noch mal dazu nehmen, das habe ich ja gerade schon gesagt. In der Zeitschrift Pädagogik von Mai 2021, dass der Schüler mehr in den Fokus gerückt werden muss. Ganz konkret sagt er: Der Schüler, die Schülerin muss in die Lage versetzt werden, selbst ihre Produkte unter Qualitätskriterien zu betrachten und zu reflektieren und darauf zu achten: Wann ist es denn jetzt eigentlich eine gute Leistung? Das ist ja das, was wir eigentlich wollen: Schülerinnen, Schüler sollen sich selbst einschätzen können, ihre Produkte. Und ich glaube, wenn das erreicht wird mit dem Prozess, den wir anstoßen, dann ist das viel wert. Und gerade der Schieberegler formatives Feedback bietet die Möglichkeit, das zu lernen.
Jöran Muuß-Merholz: Schönes Schlusswort von David Tepaße, vielen Dank.
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Expertin und Experte
David Tepaße, stellvertretender Schulleiter am Gymnasium Harsewinkel
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Der Schieberegler „Feedback“
Rein summatives – am Ende des Lernprozesses verankertes – Feedback gehört nicht oder nur bedingt zu einer zeitgemäßen Lernkultur. Formatives Feedback, das den Entstehungsprozess begleitet, regt die Eigenreflexion der SuS an. Dabei wird in der Regel nicht getrennt zwischen “lernen” und “leisten”, sondern der gesamte Prozess durch Lehrerkräfte und Schüler*innen begleitet.
Begleitendes Feedback, bei dem den Lernenden beispielsweise Fragen nach der Problembeschreibung gestellt werden, kann um Zwischenfeedback und Peer-Feedback ergänzt werden. Um den Regler nachzujustieren, kann mit dialogischem Feedback, Feedback an konkreten Terminen und zu bestimmten Kriterien gearbeitet werden. All dies bietet sich vor allem bei längeren Projekten an.
Wichtige Einflüsse auf das Feedback haben auch die Regler Raum und Produkt.
Hier finden Sie weitere Informationen zum Thema Feedback im Unterricht:
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Exkurs: Feedbackportal Niedersachsen
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Beispiele für den Unterricht
David Tepaße ließ seine 8. Klasse in Informatik zum Abschluss einer Reihe zur visuellen Programmierung mit Scratch in Kleingruppen jeweils ein Spiel entwickeln. Die Bewertungskriterien wurden dabei von den Lernenden selbst im Vorfeld anhand ihrer eigenen Spielerfahrungen festgelegt. Nach drei Wochen wurden die Spiele eingereicht und gegenseitig bewertet.
Anna Reuter nutzte für ihre 13. Klasse einer BBS (Gestaltungstechnische Assistent*innen) zunächst ein von den Lernenden gemeinsam zusammengestelltes Kompetenzraster. Anschließend wurde die Aufgabe gemeinsam festgelegt, die es erlaubte, sowohl fachliche wie auch überfachliche Wissensbezüge und Kompetenzen beobachtbar und damit feedbackfähig zu machen. Anschließend wurde ein Gestaltungskonzept entwickelt, dabei kollaborativ gearbeitet und im Nachgang präsentiert.
Lars Zumbansen nutzte für die 9. Klasse in Deutsch Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“ und ließ die Klasse Charakterrollen erstellen, also mediale Lernprodukte, die die Lernenden anfertigen, erläutern und reflektieren. Sie erhielten dafür drei Wochen Zeit, wobei nach zwei Wochen ein Peer Review stattfand, sodass die Lernenden anschließend eine Woche zur Finalisierung, Überarbeitung und Reflexion hatten.
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Jetzt sind Sie dran
Nutzen Sie eine der Möglichkeiten, den Schieberegler zu verstellen:
- Gestalten Sie die nächste Prüfung so, dass die Lernenden die Ergebnisse gegenseitig beurteilen, beispielsweise in verbalen Vorträgen und Feedbacks.
- Diskutieren Sie vor der nächsten Klausur mit Ihrer Klasse, welche Kompetenzen wie benotet werden sollten. Entwickeln Sie ein gemeinsames Kompetenzraster und eine dazu passende Aufgabenstellung.
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