Alternative Prüfungsformate für zeitgemäßes Lernen
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Zeitintervall
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Thema dieser Lerneinheit
Prüfungsformate werden stark durch das Zeitintervall strukturiert, das für das Ablegen der Prüfung vorgegeben ist. Dieses kann einerseits eng gefasst sein, sich andererseits aber auch weit erstrecken. In diesem Audio-Interview wird der Schieberegler und damit verbundene Änderungen an Prüfungen vorgestellt.
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Jöran Muuß-Merholz: Wir sprechen über Veränderungen beim Zeitintervall von Prüfungen. Was genau das ist, wie man sich das vorstellen kann, auch über Beispiele werden wir sprechen, und zwar mit David Tepaße. Er ist stellvertretender Schulleiter beim Gymnasium Harsewinkel. David, magst du gleich einsteigen: Was bedeutet der Regler ‘Zeitintervall’, der ja ein Spannungsfeld beschreibt zwischen ‘eng’ und ‘weit’, und vielleicht hast du auch schon ein Beispiel, von dem du berichten kannst?
David Tepaße: Genau, also, ich fange vielleicht mal mit den Begrifflichkeiten ‘enger’ und ‘weit’ an. Also, ‘eng’ würde so im klassischen Sinne bedeuten, dass man sich dieses Schulstundenprinzip vorstellt. Wir haben leider im Schulsystem so ein System mit 45 Minuten, maximal 90 Minuten, und ‘eng’ würde dann bedeuten, dass es innerhalb dieses klassischen Zeitraums eine Überprüfung gibt, die der Lehrer setzt. Der Lehrer sagt an irgendeiner Stelle – oder vielleicht sagt das sogar das Schulsystem: Wir schreiben jetzt eine Zentralklausur und die wird jetzt und hier geschrieben. ‘Weit’ heißt, dass die Schülerin, der Schüler selbst entscheidet, zu welchem Zeitpunkt er oder sie sich prüfen lassen möchte. Und vielleicht ist ‘weit‘ sogar so, dass das sich über einen ganzen Zeitraum erstreckt – wie in dem Beispiel, was ich mitgebracht habe Das ist eine Projektarbeit in der Oberstufe und im Rahmen dieser hatten die Schülerinnen und Schüler Zeit, sich über einen Zeitraum von zwei Wochen die Zeit frei einzuteilen. Also Pi mal Daumen sind das dann so sechs Stunden, die man sich da einteilen kann. So war das Projekt von mir gestrickt, dass es innerhalb von sechs Stunden auch machbar ist. Das sind also sehr abgegrenzte Projekte gewesen mit einer relativ offenen Aufgabenstellung. Die Schülerinnen und Schüler konnten jetzt selbst entscheiden, wann sie das Projekt angehen. Also, man hätte zum Beispiel auch ganz früh hier anfangen können und dann sukzessive vielleicht alle zwei Tage da mal ne Stunde daran arbeiten können – oder auch ganz zum Schluss, wie das auch eine Schülerin gemacht hat, daran sitzen und eine Nacht- und Nebelaktion daraus machen. Entscheidend für mich ist dabei und für viele, mit denen ich da zusammen darüber rede, dass der Fokus eben beim Schüler, bei der Schülerin liegt und nicht so sehr der Lehrer jetzt entscheidet, jetzt muss eine Prüfung geschrieben werden, weil unser Schulsystem das jetzt gerade braucht, sondern die Schülerin, der Schüler selbst entscheidet. Also, zumindest in einem Rahmen entscheidet, wann er oder sie jetzt bereit ist, diese Leistung zu erbringen. Das, finde ich, ist ein großer Punkt, der zeitgemäße Prüfungsformate beinhaltet, dass man das eben selbst entscheiden kann, weil man das auch lernen muss.
Jöran Muuß-Merholz: Und das bedeutet, wenn man jetzt sagt: Zeitintervall ‘weit’, also zwei oder vielleicht sogar noch mehr Wochen, dann bedeutet das nicht, dass diese gesamte Zeit ein Prüfungszeitraum ist im Sinne von ‘die Prüfung erstreckt sich so lange’ – oder gibt es das auch?
David Tepaße: Das gibt es auch, also: beides! Also, ich kann mir beides vorstellen. Wir haben auch Beispiele in beiden Extremen. Eine Sache, die mir gerade vorschwebt, ist, dass der Schüler, die Schülerin sich hier vorstellt, zu einem gewissen Zeitpunkt eine Prüfung machen zu wollen, dann also fertig ist mit dem, was sie bisher gemacht hat und der Meinung ist, da könnte sie geprüft werden, und sich dann quasi anmeldet zu einer Prüfung. Das war allerdings jetzt nicht mein Beispiel. Mein Beispiel erstreckte sich über einen längeren Zeitraum und die Schüler*in selbst entscheiden kann, wann sie jetzt daran arbeitet, aber quasi das nicht bei mir anmeldet, sondern der Abgabezeitraum fest definiert ist: nach zwei Wochen. Aber beide Ausprägungen sind völlig okay und bieten einfach einen anderen Blick auf Schule, auf das, was wir von Schule klassischerweise kennen, weil der Fokus weg ist von dem, was ich als Lehrer oder was das System vorgibt, hin zu dem, was die Schülerinnen und Schüler eigentlich wollen und vielleicht auch lernen sollen.
Jöran Muuß-Merholz: Wenn sich jetzt die Prüfungen entsprechend verändern, sich das verschiebt, wie verändert sich dann auch das Lernen und wie kann das seinen Beitrag zu zeitgemäßer Bildung liefern?
David Tepaße: Naja, das Einfallstor für uns, um zeitgemäß zu lernen, ist ja gerade eben die Prüfung, weil häufig dieses Argument im Raume steht, wir können nicht zeitgemäßer lernen, weil eben diese Prüfungen so dastehen. Und so ist unsere Argumentation, dass wir das eben ändern können. Viele Möglichkeiten sind da, um so etwas zu verändern, im Rahmen von Projektarbeiten, von alternativen Prüfungsformaten. Die große Chance, die sich da bietet, in diesem Kontext, ist eben, dass, zu zeitgemäßem Arbeiten ist, dass der Fokus eben weggeht vom organisierenden System hinzu der Schülerperspektive, weg von der Steuerung durch den Lehrer hin zu mehr Selbstorganisiertheit mehr Selbstgesteuertheit. Schüler*innen sollen lernen, wann sie in der Lage sind, eine Prüfung abzulegen, wann sie selbst der Meinung sind, sich zu strukturieren, zu arbeiten und sich die Zeit frei einzuteilen. Das ist ja das, was heute auch gesellschaftlich gefordert ist. Es ist ja selten so, dass man irgendwann zu irgendeinem gewissen Zeitpunkt genau innerhalb von 90 Minuten jetzt eine Leistung ablegen muss, sogar ohne Hilfsmittel und alles drum und dran. Das kommt ja alles noch dazu. Sondern es ist ja häufiger so, dass man eine Menge an Aufgaben zu erledigen hat – so ist es auch bei mir in meinem Job – dass man entscheiden muss, welche Aufgaben man jetzt priorisiert. Und ich glaube, das ist eine Kompetenz, die unsere Schülerinnen und Schüler lernen müssen in der Schule. Dazu würde ich ganz gerne als System, als Lehrer, denen eine Möglichkeit bieten, und ich glaube, dass das eine Chance ist, indem sie lernen, sich selbst einzuteilen, einzuschätzen, wann sie so weit sind mit dem, was sie können.
Jöran Muuß-Merholz: Wenn ich jetzt diesen Regler ein Stück weit nach rechts schieben will, wie kann ich anfangen?
David Tepaße: Das ist gar nicht so schwer! Also, man muss vielleicht gar nicht so sehr in diesem Projektarbeitsgeschichte des Beispiels gehen, die ich mitgebracht habe, sondern kann sich ein Beispiel nehmen wie das von Hendrik Haverkamp, was auch angegeben ist jetzt bei den Materialien. Das ist so eine Arbeit, die innerhalb von drei Schulstunden stattgefunden hat. Das öffnet den Regler so ein kleines bisschen die Schülerinnen und Schülern ein bisschen mehr zeit weg aus diesen 90-Minuten-Rhythmus, kann innerhalb dieser drei Stunden entscheiden, wann sie dann eingehen wie sie daran gehen was für Hilfsmittel sie dabei haben. Es gibt aber auch noch eine andere Geschichte, dass man sogar in den vorgefertigten Rahmen arbeitet, auch das ist möglich, dass es geht in ganz ganz kleinen Schritten und dann zum Beispiel stärker durch mehr Hilfsmittel oder so was arbeitet. All das sind so kleine Stufen und auf einem Weg zu einem mehr zeitgemäßen Lernen und Prüfen und ich glaube, das sind alles ganz gute Schritte, die man da unternehmen kann. Es wäre vielleicht auch falsch, von einem ganz klassischen Prüfungsformat direkt in ein total offenes Prüfungsformat überzugehen. Insofern ist dieses System, dieser Schieberegler mit diesem kleinen Verschieben war gar nicht so schlecht, weil man sich daran gewöhnen muss, sich als Lehrperson, allerdings auch die Schülerinnen und Schüler, das zu machen. Weil: Das muss gelernt sein, man muss ja lernen, dass man jetzt offener daran geht. Bisher liegt der Fokus, wie ich das gesagt habe, ganz häufig darauf dass ich alles entscheide, ich strukturiere alles vor, ich möchte da raus oder das muss beidseitig gelernt sein.
Jöran Muuß-Merholz: Stichwort Schieberegler, gibt es welche die in enger Verbindung mit diesen Schieberegler Zeitintervall stehen?
David Tepaße: Ja, da gibt es eine ganze Menge. Ich habe mich jetzt mal auf die Wesentlichen dabei konzentriert. Also, ich glaube, Raum ist ein ganz wesentlicher Schieberegler dabei, weil ich mir vorstellen kann, so, wie ich das auch in meinem Beispiel gemacht habe, dass das hervorragend auch nicht in der Schule passiert. Insbesondere dann, wenn es ein längerer Zeitraum ist, der in der Projektarbeit mündet, so kann das hervorragend überall und auch zu einer anderen Zeit passieren. Material wäre ein weiterer Schieberegler, der dazukommt, weil, gerade dann, wenn es nicht in der Schule passiert und wenn der Zeitraum frei ist, bietet es sich natürlich insbesondere an – wenn es keine Proctoring-Sachen werden sollen – dass der Schieberegler möglichst zu einer sehr freien Gestaltung von Hilfsmitteln eingestellt ist. Dann würde sich vielleicht natürlich noch der Schieberegler Aufgabe anbieten, der mir sofort dabei vorschwebt. Das ist der Gedanke, dass natürlich eine offene Aufgabe gerade in diesem Setting besonders viel Sinn macht. Wenn das eine geschlossene Aufgabe ist: Die über einen längeren Zeitraum zu erstrecken macht nicht so viel Sinn. Ich glaube, je länger der Zeitraum wird, desto offener sollte die Aufgabe dabei auch sein.
Jöran Muuß-Merholz: Ganz herzlichen Dank, David Tepaße.
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Expertin und Experte
David Tepaße, stellvertretender Schulleiter am Gymnasium Harsewinkel
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Der Schieberegler „Zeitintervall“
Ein enger Zeitrahmen bedeutet, dass eine Überprüfung innerhalb des bekannten Einzel- oder Doppelstunden-Rhythmus stattfindet. In einem weiten Prüfungsformat entscheiden die Lernenden selbst, wann sie geprüft werden wollen. Solche Prüfungsformate bieten mehr Flexibilität, außerdem wird den Prüflingen mehr Selbststeuerung und Verantwortung zugetraut und übertragen.
Das weite Prüfungsformat kann einen Rahmen vorgeben, in dem die Lernenden selbst ihren Prüfungszeitpunkt setzen. Diese reichen von kleinen Änderungen (innerhalb eines engen Zeitrasters) hin zu totaler Offenheit (innerhalb eines Monats). Eine Möglichkeit zum Nachjustieren des Reglers kann das Aufbrechen des klassischen Rhythmus sein, indem mehr Zeit zur Bearbeitung zur Verfügung gestellt wird.
Die Öffnung von eng zu weit sollte auf jeden Fall mit Zwischenschritten passieren. Um alle im Öffnungsprozess mitzunehmen, braucht es die gemeinsame Entwicklung von Lehrenden und Lernenden.
Dieser Schieberegler hat enge Verbindungen zu Material, Raum und Aufgaben.
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Beispiele für den Unterricht
Hendrik Haverkamp hat für seine 8. Klasse gleich mehrere Schieberegler verändert, ausgehend vom Raum: Den Lernenden war es vollkommen frei gestellt, in welchem Raum sie ihre Prüfung schreiben. Durch die fehlenden Kontrollmöglichkeiten war aber auch die Wahl der Hilfsmittel vollkommen frei gegeben. Durch die Tatsache, dass die Lernenden ihre Klausur auch am Laptop erstellen sollten, konnten sie auch frei im Internet recherchieren. Letztendlich waren auch Absprachen untereinander vollkommen möglich und sogar erwünscht, sofern am Ende eine individuelle Abgabe erfolgte. Zudem hatten sie gleich drei Schulstunden dafür Zeit.
David Tepaße nutzte für seine 10. Klasse im Informatikunterricht ein Programmierprojekt als erste schriftliche Leistungsüberprüfung für dieses Fach. Die Lernenden arbeiteten im Projekt durch die Lehrkraft begleitet und protokollierten ihren individuellen Fortschritt. Neben der Implementierung musste auch der Quellcode gut dokumentiert werden.
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Jetzt sind Sie dran
Nutzen Sie eine der Möglichkeiten, den Schieberegler zu verstellen:
- Planen Sie anstelle einer langen Klausur mehrere Speed-Prüfungen: 15 Minuten pro Unterrichtsstunde als Leistungskontrolle, die summativ eine Prüfung ersetzen.
- Projektarbeiten mit Leistungsbewertung sind klassische Beispiele für diesen Schieberegler.
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