• Einführung: Von alternativen Prüfungsformaten zu einer zeitgemäßen Prüfungskultur

    • Thema dieser Lerneinheit

      Alternative Prüfungsformate stehen nicht im luftleeren Raum – sie hängen eng zusammen mit einer Kultur der Digitalität und bedingen sich sogar gegenseitig. Dabei verändern sich nicht nur Prüfungsformate, sondern auch das Lehren und Lernen. Mehr dazu erfahren Sie in diesem Audio-Interview.


    • Audio übernommen von Von alternativen Prüfungsformaten zu einer zeitgemäßen Prüfungskultur von Agentur J&K – Jöran und Konsorten in Zusammenarbeit mit dem Institut für zeitgemäße Prüfungskultur e.V. im Auftrag des Niedersächsischen Landesinstituts für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ Hildesheim) via Medienberatung Niedersachsen | Lizenz CC BY 4.0
    • Jöran Muuß-Merholz: Wir wollen über zeitgemäße Prüfungskultur und zeitgemäße Prüfungsformate sprechen, und dafür haben wir zwei Menschen als Expert*innen bei uns, die das gut können, weil sie in einem Institut für zeitgemäße Prüfungskultur engagiert sind, sogar im Vorstand: Das sind Patricia Drewes, sie ist didaktische Leitung am Gymnasium Bethel und in der Lehramtsausbildung und Schulentwicklungsberatung tätig, und dann Hendrik Haverkamp, er ist Koordinator für eine Kultur der Digitalität am Evangelisch Stiftischen Gymnasium Gütersloh. Wir werden bestimmt noch darauf eingehen, was das denn heißt: Kultur der Digitalität, und wir werden auch viele andere Begriffe in diesem Video aufmachen und ein Stück weit diskutieren. Wir fangen mal mit dem Grundlegenden an. Der Begriff, der auch hier ganz oben drüber steht: zeitgemäße Prüfungskultur. Vielleicht ist es auch die schwierigste Frage, nicht die einfachste: Was ist das? 

      Patricia Drewes: Ja, unter zeitgemäßer Prüfungskultur verstehen wir, die wir dieses Institut gegründet haben, eine Art und Weise des Prüfens von Leistungen, das dem zeitgemäßen Lernen entspricht. Und dieses zeitgemäße Lernen bedingt für uns auch oder gehört zusammen mit den 4k, mit den Kompetenzen, die im 21. Jahrhundert erforderlich sind. Und ich glaube, uns alle im Institut eint auch wirklich ein zeitgemäßer Unterricht, den wir machen wollen, und wir merken, und das war vielleicht auch einer der Gründe, weshalb wir zusammengefunden haben: Das endet, das Ganze, dabei, wenn es wieder ums Prüfen geht. Das heißt, man kann sich wunderbaren Unterricht ausdenken, tolle Szenarien, und am Ende fragen die Schüler, das ist auch eines der Zitate, die wir auf unserer Homepage gepackt haben von Björn Nolte, am Ende fragen die Schülerinnen und Schüler immer: Ist das denn prüfungsrelevant? Das kommt dabei raus am Ende. Deswegen muss, und das ist unser Grundgedanke, sich das Prüfen ändern. Also, wir denken vom Ende her, damit sich auch der Unterricht langfristig verändern kann, das Eine wieder zum Anderen passt. 

      Jöran Muuß-Merholz: Ihr sprecht jetzt ja von Kultur, also Prüfung habe ich verstanden, ist einleuchtend, aber da soll sich jetzt nicht nur zum Beispiel was von Formaten ändern, sondern eine Kultur. Warum habt ihr dieses Wort gewählt? 

      Patricia Drewes: Weil Kultur für uns so was wie die Gesamtheit der Leistung einer Gesellschaft ist – und diese Gesamtheit muss sich verändern, also, Schule als Ganze muss sich verändern und nicht nur die Prüfung. Wenn wir jetzt sagen würden: Prüfungsformate, dann ist das für uns sehr technokratisch und wieder nur ein ganz kleines Schräubchen, und Kultur bedingt teilt. Wir  sprechen ja auch von einer Kultur der Digitalität und in einer Kultur der Digitalität muss auch die Kultur der Prüfung eine Andere werden.

      Jöran Muuß-Merholz: Das Thema Prüfung ist ja nicht nur für die Schüler*innen relevant, sondern, Patricia hat das eben angedeutet, für das ganze System. Ist das zu offensichtlich, oder, also, ich frag mal ganz naiv: Warum überhaupt? 

      Patricia Drewes: Ich glaube, dass Schule über die Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte hinweg eine riesige oder eine viel zu dominante Allokationsfunktion bekommen hat. Also, man spricht manchmal von Selektion, ich vermeide den Begriff jetzt hier. Es geht immer darum, Menschen auszusortieren für etwas, und die Idee, dann ab der Grundschule eigentlich zu sagen: verschiedene Bildungsgänge aufgrund von mehr oder minder erfolgreich absolvierten Prüfungen. Das Ganze geht dann weiter mit den Abschlüssen, mittleren Schulabschlüssen bis hin zum Abitur. Und letztendlich versteht sich Schule, und da sehe ich auch viele Kolleginnen und Kollegen, so als Zugangsberechtigunginstitution. Und da erleben wir, glaube ich, auf verschiedenen Ebenen, auch hier fast eine Absolutsetzung von, wirklich, Noten geben, Zugänge verschaffen – und dem gegenüber tritt für uns Lernen eigentlich viel zu sehr in den Hintergrund, und auch dieser Begriff der Bildung, letztendlich geht es ja auch um Bildung und nicht nur darum, bestimmte Zugänge zu schaffen. Aber die Art und Weise, wie aktuell geprüft wird, bedingt, dass man den Eindruck hat, schulisches Lernen, da wird einfach durch Klausuren und Klassenarbeiten ein Rhythmus vorgegeben, der dem Lernen von Schülerinnen und Schülern an vielen Stellen zuwiderläuft. 

      Hendrik Haverkamp: Hinzu kommt vielleicht noch, dass es eben auch zwei unterschiedliche Leistungsbegriffe gibt, die in der Schule zur Anwendung kommen. Es ist einmal so ein pädagogischer Leistungsbegriff, dass wir versuchen, die Schülerinnen und Schüler eben bestmöglich zu fördern, das Beste aus ihnen herauszuholen. Und auf der anderen Seite gibt es ebenso einen gesellschaftlichen Leistungsbegriff, wo es darum geht, eben Leistung zu bringen, um dann eben bestimmte Zugänge zu weiterführenden Ausbildungen oder zum Studium zu erhalten. Und das ist ein ganz schwieriges Spannungsverhältnis, was man kaum auflösen kann, zwischen diesem pädagogischen und diesem gesellschaftlichen Leistungsbegriff. Schule ist ja erst mal ein Schonraum, wo Schülerinnen und Schüler sich auch erproben sollen, ausprobieren sollen, aber sollen gleichzeitig immer auch im Prinzip so fit gemacht werden, dass sie dann später außerhalb der Schule eben auch dann sich durchsetzen können. 

      Jöran Muuß-Merholz: Warum seid ihr nicht Prüfungsgegner oder Leistungsgegner? 

      Patricia Drewes: Ich glaube, dass die meisten Menschen eigentlich durchaus gerne das, was sie können, zeigen wollen. Wir sind ja nicht Gegner dessen, dass Menschen, wenn sie stolz sind, auf etwas, was sie produziert haben oder was sie verinnerlicht haben, irgendwo anderen Menschen gegenüber zu stellen, deswegen sind wir auch nicht Prüfungsgegner, also, sondern Prüfungsneugestalter, so würde ich das benennen. 

      Hendrik Haverkamp: Genau, das sehe ich genauso. Im Prinzip gibt es da diese große Lust, sich auch zu erproben, aber das muss ja nicht immer dann mit einer Note abschließen, sondern man kann, glaube ich, auch auf vielfältige Weise zeigen, welche Kompetenzen man bekommen hat, ohne dass dann am Ende eine Ziffer herauskommt. 

      Jöran Muuß-Merholz: Wir haben jetzt schon in dem Gespräch eine ganze Reihe von großen Begriffen in Halbsätzen erwähnt und jetzt würde ich gerne im zweiten Teil unseres Gesprächs noch mal genauer drauf schauen auf so ein paar Spotlights von Begriffen, die hier genannt wurden. Also, Kultur der Digitalität ist gesagt worden. Wenn man sich so anschaut, dieses Institut, die Leute, die da vorgestellt werden, die werden alle als Erstes mit ihrem Twitternamen vorgestellt und nicht zum Beispiel mit den akademischen Ehren, die sie irgendwo mal hatten oder Ähnliches mehr, das heißt, es hat irgendwie wohl was mit diesem Raum zu tun in dem – weil nicht digitale- oder Digitalitätsfragen diskutiert werden. Gleichzeitig steht da ja nirgends darauf, dass es ein Institut für Digitalitätsfragen sei. Das fände ich jetzt spannend, mit euch aufzudröseln. Warum hat es offensichtlich doch viel damit zu tun und was meint ihr damit, wenn ihr sagt: Kultur der Digitalität? 

      Patricia Drewes: Also, wir orientieren uns ganz stark an Felix Stalders Vorstellungen und an diesen drei Paradigmen der Kultur der Digitalität und für uns gehört Digitalität einfach dazu. Also es ist vielleicht der Medienbegriff auch, es ist ein Raum, in dem sich Schülerinnen und Schüler und auch sehr viele Lehrkräfte mittlerweile sehr souverän bewegen und sich auch aufeinander beziehen. Wir erleben auch mehr und mehr, dass Schülerinnen und Schüler auch twittern und eigene Konnektivität entwickeln an der Stelle, und deswegen ist das etwas, das betrachte ich und das betrachten wir als gesetzt. Und in diesem Raum bewegen wir uns und in diesem Raum sollte sich auch Schule bewegen, und in diesem Kontext passt vielleicht auch dieser Begriff der postdigitalen Schule, den ich einfließen lassen habe, weil ich den Eindruck habe, dass wir in Deutschland uns ganz, ganz oft auf dieser Ebene der Hardware und Software bewegen. Wir diskutieren permanent darüber: Whiteboards, keine Whiteboards. Beamer, keine Beamer. Welche App ist denn jetzt die Beste? Und ich glaube, darum geht es gar nicht. Ich glaube irgendwo, es geht um diesen Lebensraum Schule in der Digitalen Welt und auch die Frage irgendw: Was bringt mir das und wie verändert das mein Leben? Wir reden viel zu wenig über Algorithmen beispielsweise, wir reden nie über die Grenzen möglicherweise auch des Digitalen. Wir reden auch viel zu wenig darüber, jetzt geht es wieder zurück in die Präsenz. Wir reden aber nie darüber, was eigentlich Präsenz ausmacht und was man vielleicht auch digital wesentlich besser erledigen könnte. Und all diese Fragen beschäftigen uns, und deswegen sind wir auch nicht ein Digitalisierungsinstitut, also nicht in dem Sinne von technischer Digitalisierung, oder wir sind nicht das Institut, was die besten Prüfungen digital gestaltet, sondern ein Institut, das die Kultur der Digitalität eigentlich mit denkt oder sich darin bewegt. 

      Hendrik Haverkamp: Wir setzen das quasi voraus, aber nicht absolut, das heißt es gibt sicherlich auch hervorragende Prüfungen, die völlig ohne digitale Mittel auskommen, und wenn man sich auf der Prüfungskultur-Community-Seite umschaut, wo ja Beispiele gesammelt werden von vielen Kolleginnen und Kollegen, da sind auch einige Beispiele, die völlig analog daherkommen – und das ist völlig in Ordnung. Also ist wirklich, da würde ich Patricia zustimmen, wir sind kein Digitalisierungsinstitut, aber die Möglichkeiten, die die Digitalität uns anbieten, vervielfachen auch die Möglichkeiten, wie Schülerinnen und Schüler ihre Kompetenzen nachweisen, zeigen können. 

      Jöran Muuß-Merholz: Danke für die Einblicke wir machen noch mal ein weiteres Video, wo wir über die Grundinhaltsfragen für die Arbeit des Instituts sprechen. Jetzt aber ganz herzlichen Dank erstmal für die ersten Schritte an Patricia Drewes und Hendrik Haverkamp.

    • Expertin und Experte

      Patricia Drewes, Didaktische Leitung am Gymnasium Bethel, daneben in der Lehramtsausbildung und Schulentwicklungsberatung tätig.

      Hendrik Haverkamp, Koordinator für eine Kultur der Digitalität am Evangelisch Stiftischen Gymnasium Gütersloh.


    • Zeitgemäße Prüfungskultur

      Im Zentrum einer alternativen Prüfungskultur stehen die 4K, also Kompetenzen, die im 21. Jahrhundert erforderlich sind. Entsprechend geht eine neue Prüfungskultur einher mit Änderungen der Lernkultur. Als Kultur wird dabei die Gesamtheit der Leistungen in einer Gesellschaft verstanden. Dies bedeutet, dass sich Schule als Gesamtheit verändern muss, und dies schließt die Kultur des Prüfens mit ein. 

      Begreift sich Schule als Zugangsberechtigungsinstitution, tritt dabei das Lernen bzw. die Bildung zu sehr in den Hintergrund. Der klassische Prüfungsrhythmus entspricht nicht dem Lernrhythmus von Lernenden. Prüfungen sollen die Möglichkeit geben, sich zu beweisen und zu zeigen, was gelernt wurde. Der Lernerfolg muss dabei nicht beziffert werden. 

      Das Digitale ist ein Raum, in dem sich Lernende und zunehmend Lehrkräfte sicher bewegen. Aus diesem Grund sollte sich dort auch Schule bewegen. Das kann nicht nur über eine Hardware-/Software-Debatte gelöst werden. Daher auch die Frage nach Prüfungen, die in einer Kultur der Digitalität angesiedelt sind – sie müssen nicht digital sein! 

      Der Weg führt weg vom lehrseitigen Denken, hin zum kompetenzorientierten Denken. Zeitgemäße Prüfungskultur bedient sich der Möglichkeiten, die eine „Zeit“ vorhält und schöpft diese aus.

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      Tipp: Webtools für den Unterricht

      Wenn Sie sich für eine Sammlung an Webtools für den Unterricht für eine veränderte Lernkultur interessieren, finden Sie im gleichnamigen Kurs eine Auswahl an für den Unterricht zugelassenen Hilfsmitteln sowie zusätzliches Begleitmaterial und Erläuterungen.

       

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      Tipp: Lehren und Lernen mit Moodle

      Learning Management-Systeme (LMS) wie Moodle, welches Ihnen vom Kultusministerium Niedersachsen für die Arbeit an der Schule zur Verfügung gestellt wird, ermöglichen es Ihnen, Unterricht neu zu denken. Im Kurs Lehren und Lernen mit Moodle finden Sie Erläuterungen für den Einsatz im Unterricht. Diese lassen sich auch auf andere LMS übertragen, beispielsweise wenn Ihnen über Ihre Institution IServ zur Verfügung steht.

    • Stimmen aus der Praxis

      An dieser Stelle kommen quereingestiegene Lehrkräfte zu Wort, die Ihre Erkenntnisse mit Ihnen teilen möchten. Wir haben folgende Fragen gestellt:

       

    • 00:00:00:22 - 00:00:48:21

      Anonym, IGS

      Aus meiner Quereinsteiger-Perspektive ist das Thema in vielen Bereichen meiner Meinung nach sehr da und vielen Fachkonferenzen ist nicht wirklich klar, dass man Prüfungen auch anders durchführen kann, zum Beispiel auch digital. Und das ist heute auch schon möglich ist. Viele Lehrkräfte sind noch sehr verhaftet in der bürokratischen Zwängen, möchte ich mal so sagen. Und auch während meines Quereinstiegs sind es die typisch Beamtendeutsch, Präzision und Pedanterie, die mir oft sauer aufgestoßen, weil es nicht immer logisch ist. Das ist etwas, was ich im Quereinstieg gelernt habe. Das Schulsystem ist nicht immer logisch und auch die Regeln sind nicht immer logisch.

      00:00:49:23 - 00:01:53:07

      Tina Köhn, Grundschule/Sekundarschule

      Meine Arbeit zurzeit hat wenig zu tun mit dem, wie ich Schule kennengelernt habe, als ich zur Schule gegangen bin. Mir war relativ schnell klar, als ich eingestiegen bin in den Lehrer*innen-Beruf, dass ich nicht so arbeiten möchte, wie ich es gekannt habe, sondern dass ich den Lebensweg von Kindern begleiten will und Bildung vermitteln will und nicht nur einzelne Fachinhalte abfragen möchte.

      Ich bin an einer Schule, die von 1 bis 13 geht. Wir haben keine Noten bis Jahrgang acht und auch keine Klassenarbeiten in dem Sinne, wie ich sie kennengelernt habe, als ich Kind war, wo alle die gleiche Arbeit schreiben, sondern wir arbeiten mit individueller Testung. Und wenn wir eine gemeinsam zu einem gemeinsamen Zeitpunkt eine Arbeit schreiben, dann sind diese normalerweise ausdifferenziert und dadurch habe ich ein Instrument in der Hand, mit den Kindern ihren individuellen Lernfortschritt zu überprüfen und nicht ein zentral von außen gesetztes Maß, was sie zu einem bestimmten Zeitpunkt haben müssen, abzufragen.

      00:01:54:19 - 00:02:46:14

      Anonym, Grundschule

      Prüfen, Leistungsnachweise – besondere Herausforderung, weil es natürlich sehr brenzlig wird für Schüler*innen, aber natürlich auch Eltern. Also wenn man das auch sehr, sehr genau machen aus pädagogischer Perspektive, denke ich, wäre man dann gern ein bisschen freier manchmal und jeder das klar zu kriegen. Was ist jetzt genau erwartet, wie macht man das auch rechtlich sauber, dass einem nichts angekreidet werden kann?

      Und wie lässt man auch den Spielraum, dass Schüler*innen sich entwickeln können können? Das finde ich schwierig und wahrscheinlich sollte man da auch noch mal deutlich mehr drüber sprechen, auch generell in den Kollegien. Das Thema Prüfungen hat mich eigentlich schon immer genervt. An der Schule Noten geben zu müssen, war immer ein Hindernis eigentlich. Deswegen versuche ich so weit wie es geht, davon wegzukommen.

      00:02:47:22 - 00:04:24:08

      Gratian Riter, Berufsschule

      Ich arbeite ja an einer Berufsschule und da geht es schon um Handlungsorientierung. Insofern sind viele Prüfungsformate gar nicht so verschult. Allerdings habe ich schon den Eindruck, dass viele Lernende sich wünschen, dass wir so Sachen machen, die man gut auswendig lernen kann, die man gut abhaken kann und die ein eindeutiges richtig oder falsch liefern, was natürlich als Prüfungsformat ehrlich gesagt viel einfacher abzubilden ist, als was handlungsorientiert ist, aber aus meiner Sicht eigentlich falsch sind, für das, was wir bei den Lernenden entwickeln wollen, nämlich Kompetenzen und nicht irgendwie Dinge, die man einfach nur auswendig lernt, aber im Zweifel gar nicht so richtig verstanden hat. Und das ist in jeder Hinsicht ein bisschen erschreckend. Und auch ein bisschen erschreckend ist, dass man sich natürlich dabei ertappt, eigentlich diese einfachen Prüfungsformate haben zu wollen, damit man irgendwie den Workload ein bisschen reduzieren kann, weil man muss ja irgendwas prüfen und vielleicht geht es manchmal dann gar nicht darum, gut lernen zu können, sondern gut prüfen zu können oder nicht gut lehren sondern gut prüfen zu können.

      Und das ist eigentlich schade, weil das natürlich nicht der Grundgedanke von Schule sein soll, außer eines der ganz wichtigen Kriterien ist halt zu sortieren. Und das finde ich ehrlich gesagt nicht schön, zumal dann auch noch viel Zeit in dieses Feld fließt, von dem am Ende vielleicht keiner so richtig profitiert.

    • 00:00:01:00 - 00:01:15:11

      Ralf, Berufsschule

      An der Berufsschule, wo ich arbeite, oder an Berufsschulen im Allgemeinen geht es ja um die Handlungsorientierung, also darum, Formate zu haben, die eigentlich dem Berufsalltag entsprungen sind, die man dann in der Schule produziert. Ich lasse auch gerne Lernprodukte erstellen, die digitalen Medien zu tun haben, weil man dann einfach noch andere Kompetenzen gleich mit fördern kann. Allerdings stellt sich da immer ein bisschen die Frage, wie kann man das gut prüfen, weil das Prüfen halt irgendwie so schul-immanent ist.

      Und die Prüfung könnte sich ja eigentlich aus einem guten Produkt von alleine ergeben. Aber dann wird es halt schwierig, sozusagen Kriterien zu entwickeln, die für alle Schüler ja gleichwertig sind, wenn die Produkte doch eigentlich sehr unterschiedlich sind. Und aus meiner eigenen Schulzeit muss ich sagen, ich kenne tatsächlich überwiegend ganz klassische Prüfungsformate und erinnere mich an eine Lehrerin.

      Das war dann schon außergewöhnlich. Da sollten wir Dinge mitbringen, die was mit dem Thema Mittelalter zu tun haben. Das war sehr interessant. Ich erinnere mich an Mitschüler, die haben eine Steinschleuder gebaut und die mitgebracht. Das fand ich schon für damalige Verhältnisse ganz fortschrittlich. Ja.

      00:01:17:04 - 00:01:41:23

      Tina Köhn, Grundschule/Sekundarschule

      Eine gemeinsame Klassenarbeit, so wie ich sie früher gekannt habe und ein– und der Anspruch, dass in einer Klasse vier oder in einer Klasse acht alle Kinder das Gleiche können sollen und dann eingeteilt wird in „du kannst das nicht“ und „du kannst das übermäßig gut“ empfinde– würde ich heute nicht mehr unterstützen wollen und bin sehr froh, dass es Schulen gibt, wenn auch nicht überall, die das unterstützen.

      00:01:43:09 - 00:02:20:04

      Manuel Grifka, Gymnasium

      Inspiriert vom Twitter Lehrerzimmer und dem Institut für Prüfungskultur, habe ich das Thema alternative Prüfungsformate tatsächlich für mich entdeckt. Letztes Jahr mit einer Kollegin, in der Mathe Sek I ein kleines Projekt ausprobiert, was eine Klassenarbeit ersetzt hat, bei der die Kinder ihr Traumzimmer planen mussten. Flächeneinheit, Volumeneinheiten, Maßstäbe eine große Rolle spielten aber auch sehr viel Freiheit in der Gestaltung.

      Außerdem habe ich eine Fortbildungsveranstaltung initiiert, bei der wir jetzt aktuell mit knapp 20 Kolleginnen und Kollegen alternative Prüfungsformate ausprobieren. Und das läuft gerade bis zum Ende des Schuljahrs und wir schauen mal, was da alles an spannenden Dingen entstehen wird.

      00:02:21:21 - 00:02:57:11

      Gratian Riter, Berufsschule

      Ich habe schon mal was gemacht mit Lernprodukte. Das ist mehr aus der Not entstanden. Es war während Corona Wir hatten zu wenig Zeit für die letzten beiden Einheiten Sprachphilosophie und Kurzprosa. Und dann habe ich den Schülern freigestellt, da zu lernen, Produkte zu machen. Es könnten sein Texte, Videos, Audiofiles, Poster, digitale Pinnwände, Hörspiele, was auch immer. Wichtig war mir dabei, dass auch Lernprodukte, an die ich nicht gedacht habe oder in Form von Lernprodukten, an die ich nicht gedacht hat, dass sie die machen konnten oder dass zumindest gesagt haben, dass sie die machen wollten.

      00:02:59:07 - 00:03:37:15

      Anonym, Grundschule

      Ich selbst versuche alternative Leistungsnachweise anzubieten, zu ermöglichen. Das geht auch in gewissem Rahmen. Aber man muss dann eben schon immer schauen, wie sehr bewegt man sich dann vielleicht schon außerhalb der Grenzen. Also und dieses Abprüfen ist dann auch so ein großer Teil der Arbeit, das finde ich bedauerlich. Also eigentlich würde ich ja gerne mehr Energie in das in das Lernen und das Weiterkommen und natürlich auch eine tolle Atmosphäre im Klassenraum stecken als ich vielleicht schon immer auch an das Prüfen und das Dokumentieren der Leistungen stecken muss.

      00:03:39:03 - 00:04:23:22

      Anonym, IGS

      Während des Einstiegs habe ich, da mein Fach Musik ist, schon mit meinen Musikerkollegen anders gestaltet. Die haben zum Beispiel mit digitalen Samples gearbeitet und die Schülerinnen und Schüler in der achten, neunten Klasse selber Beats erstellen lassen, programmieren lassen und auch selber Songs aufnehmen lassen und haben das dann anhand von bestimmten Bewertungskriterien transparent bewertet. Das war an der Schule zu der Zeit wirklich was ganz Neues und da haben wir auch gleichzeitig noch das LdL Konzept (Lernen durch Lehren) auch mit hineingenommen, weil nämlich die Schülerinnen und Schüler sich gegenseitig in die Arbeit mit den Samples und den Programmen eingeführt haben. Wir haben nur eine kleine Impulsvorlage geliefert.

    • Fachliteratur zur Vertiefung: Empfehlungen der Expertinnen und Experten

       

    • ℹ️ 

      Exkurs: KMK Empfehlung: Lehren und Lernen in einer digitalen Welt

      In der ergänzenden Empfehlung der Kultusministerkonferenz vom 09.12.2021 heißt es:

      Vor dem Hintergrund einer sich verändernden Lern- und Arbeitskultur und einer sich weiterentwickelnden Aufgabenkultur […] wird auch der Bereich der in schulischer Verantwortung stehenden Prüfungskultur einschließlich seiner Formate und Bewertungsweisen – unter Beachtung der konstruktiven Verknüpfung (Constructive Alignment) von Lern- und Prüfungskultur – weiterzuentwickeln sein. Dabei stehen die Entwicklung von Prüfungsformaten, die die Kompetenzen in der digitalen Welt überprüfen, sowie die Nutzung der erweiterten digitalen Möglichkeiten im Fokus. Im Wandel des Lehrens und Lernens in der digitalen Welt sind – ausgehend von klassischen handschriftlichen Klassenarbeiten und Klausuren – unter Nutzung digitaler Medien und Werkzeuge etablierte Prüfungsformate anzupassen sowie neue Prüfungsformate zu entwickeln. Die bisher in den Ländern definierten Prüfungsformate tragen den gesellschaftlichen, pädagogisch-didaktischen und fachlichen Veränderungen noch nicht in ausreichendem Maße Rechnung. […]

       

    • Hintergrund: Das Institut für zeitgemäße Prüfungskultur

       

      Das Institut für zeitgemäße Prüfungskultur wurde 2020 als eingetragener Verein gegründet. Die Mitglieder bilden ein breites Spektrum von Menschen aus der Bildung ab: Lehrkräfte, Schulleitungen, Hochschullehrkräfte, Fachleitungen, Mediendidaktik, Fachdidaktik, Lehrkräftefortbildung, Web-Entwicklung, politisch Aktive, Blogger*innen …

      Dabei eint sie alle das langfristige Ziel, einer zeitgemäßen Prüfungskultur den Weg zu bereiten. Auf der Webseite finden sich neben Community-Inhalten zum Austausch von Beispielen untereinander auch eine kuratierte Beispielsammlung von Mitglieder*innen des Instituts zum Verändern von Prüfungen. Zudem initiierten sie 2021 und 2021 das Barcamp zu zeitgemäßer Prüfungskultur als Möglichkeit zum Austausch von Interessierten. Sie finden dort noch die Dokumentationen der vergangenen Sessions zum Stöbern und Nachlesen.