Zum Teamplayer zu werden klingt gut, aber wie kann das konkret aussehen? Im folgenden stellen wir Dir fünf Ansätze vor. Wenn Du mindestens einige dieser Ansätze für Dich und in Deinem Kollegium zur normalen Praxis werden lässt, dann baust Du Dir damit Schritt für Schritt ein persönliches Lernnetzwerk (PLN) auf, das Dich trägt und unterstützt. (Falls du mit dem Begriff des PLN noch gar nichts anfangen kannst, erhältst Du in der Wikipedia einen guten Überblick)


1. Mikrofortbildungen im Kollegium

In den bisherigen Lerneinheiten haben wir das Internet als großen Wissensfundus kennengelernt und erfahren, wie wir es nutzen können. Aber ist es oft nicht viel naheliegender direkt einen Kollegin oder eine Kollegin anzusprechen? Auf dieser Idee basiert das Prinzip von Mikrofortbildungen.

Eine Mikrofortbildung ist ein Peer-to-Peer Lernformat. Das bedeutet, dass Kolleg*innen von- und miteinander lernen und dazu die Erfahrungen und Kompetenzen nutzen, die in ihrer Gruppe vorhanden sind. Wie der Name bereits vermuten lässt, sind Mikrofortbildungen mit meist nur 15-30 Minuten relativ kurz. Am besten wird eine Zeit gewählt, in der Kolleg*innen ohnehin eine zeitliche Lücke haben: in der großen Pause, in der Mittagspause, bei Unterrichtsschluss … Vorab wird das Thema der jeweiligen Mikrofortbildung festgelegt. Wer etwas zu dem festgelegten Thema lernen will, kommt dazu. Eine Person hat den Hut auf, um in das Thema einzuführen oder etwas zu zeigen. Eine Präsentation oder eine andere umfangreiche Vorbereitung ist allerdings nicht nötig. Es geht vielmehr darum, gemeinsam auszuprobieren und zu beratschlagen.


In diesem Video ist das Prinzip und die Durchführung von Mikrofortbildungen beschrieben:


Ein Mikrofortbildungs-Konzept funktioniert gut als ‘Kurs-Kiosk’. In diesem Fall können (auf einer Pinnwand im Lehrer*innenzimmer oder auch mithilfe eines digitalen Tools) sowohl Angebote als auch Wünsche für Themen eingetragen werden. Sobald sich mindestens drei Menschen finden, die mitmachen würden, findet die Mikrofortbildung statt. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass alle ihre Kompetenzen einbringen und immer genau das Lernen können, was gerade für sie relevant ist.

Mikrofortbildungen sind ein schönes Einstiegsprojekt hin zu mehr Kollaboration im Kollegium, weil sie sich mit relativ wenig Aufwand umsetzen lassen. Einen Erfahrungsbericht samt weiternutzbaren Vorlagen erhältst Du zum Beispiel in diesem Blog - inklusive einer Corona-Edition für die Online-Durchfüphrung.


2. Open Educational Resources: Das Rad nicht neu erfinden!

Neben der Kollaboration unter Lehrkräften als selbstorganisierte Peer-to-Peer Fortbildungen, lässt sich auch in Hinblick auf die Materialerstellung zusammen arbeiten.

Warum das sinnvoll ist, ist offensichtlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Lehrkräfte jede Menge Materialien für ihren Unterricht erstellen. Das meiste davon landet allerdings in irgendeiner Schublade oder einem Ordner auf dem Rechner. Wäre es nicht sinnvoll, wenn Du die von anderen erstellten Materialien weiter nutzen könntest?

Vielleicht denkst Du jetzt, dass solch eine Weiternutzung ja ganz gut klingt, aber doch bestimmt aus urheberrechtlichen Gründen nicht geht. Denn wenn jemand etwas erstellt, ist das Ergebnis urheberrechtlich geschützt - und wenn Du es weiternutzt, dann begehst Du einen urheberrechtlichen Verstoß. Das stimmt, aber es gibt eine Lösung. Diese heißt Open Educational Resources (OER).

OER sind offene Bildungsmaterialien, die in unterschiedlichen Formaten und meist digital vorliegen: angefangen von einem einfachen Bild, das Du für ein Arbeitsblatt weiter nutzen kannst. Bis hin zu einem umfangreichen Online-Kurs, den Du für Deine Klasse ein bisschen anpasst und dann weiternutzt. OER ‘funktionieren’ rechtlich sicher dank offener Lizenzen. Eine offene Lizenz ist eine Erlaubnis der erstellenden Person, dass das erstellte Material weitergenutzt werden darf. Im Bildungsbereich verwenden wir als offene Lizenzen die Creative Commons Lizenzen. Sie werden oft mit CC abgekürzt.

Eine Creative Commons Lizenz, die bei einem Bildungsmaterial dabei steht, gibt an, wie genau Du das Material weiternutzen kannst. Das wird durch Kürzel deutlich gemacht. Bei OER gibt es dabei drei verschiedene Lizenzarten:

  • CC 0: Soweit möglich wird auf urheberrechtlichen Schutz verzichtet. Das bedeutet, dass Du das Material einfach weiternutzen kannst, ohne etwas dazu zu schreiben.
  • CC BY: Du darfst das Material weiternutzen, aber musst einen so genannten Lizenzhinweis dazu schreiben, der unter anderem enthält, wer das Material erstellt hat. Um einen Lizenzhinweis zu schreiben, kannst Du Dir als Eselsbrücke ‘TULLU’ merken. Das steht für die Bestandteile, die Dein Lizenzhinweis enthalten muss: den Titel des Materials, die urhebende Person, die Lizenz und den Link zur Lizenz sowie den Ursprungsort. Weiter unten findest Du ein Beispiel, wie das genau funktioniert.
  • CC BY SA: Zusätzlich zur ‘BY’ Bedingung der Namensnennung im Rahmen des Lizenzhinweises gemäß der TULLU-Regel musst Du darauf achten, dass Du ein eventuell neues Material, das Du mit dem Material erstellst, wieder unter dieser Lizenz teilst. (SA steht für Share Alike)

Weitere Bedingungskürzel sind ND (No Derivates), was eine Bearbeitung ausschließt und NC (Non Commercial), was eine kommerzielle Nutzung ausschließt. Zu den OER im engeren Sinne zählen die mit diesen Bedingungen generierten Lizenzen dann aber nicht mehr - und mit den drei oben genannten wirst Du in den meisten Fällen zurecht kommen.

Das Schreiben eines Lizenzhinweises lässt sich am einfachsten an einem Beispiel lernen.


Hier ist ein Bild, das auf Flickr unter der Lizenz CC BY 2.0 veröffentlicht wurde:


Indem ich es herunterlade und hier im Kurs wieder hochlade, nutze ich es weiter. Da die Lizenz die BY-Bedingung enthält, muss ich einen Lizenzhinweis dazu schreiben und sonst keine weiteren Bedingungen beachten. Alle Angaben, die ich für meinen Lizenzhinweis brauche, finde ich direkt beim Fundort des Bildes. 


Hier sind sie markiert:

Tullu Regel am Beispiel erklärt.


Wenn ich mit Verlinkungen im Text arbeiten kann, dann wird mein Lizenzhinweis entsprechend kürzer. Er lautet dann: “Smiley” von Kate Ter Haar. Lizenz CC BY 2.0


Als Video kannst Du Dir das Schreiben eines Lizenzhinweises am Beispiel dieses Elefantenbildes anschauen.

(Hier ist der fertige Lizenzhinweis zum Bild)


Wer zum ersten Mal einen Lizenzhinweis schreibt, findet das oft super kompliziert und langwierig. Erfahrungsgemäß gewinnen Menschen aber schnell an Routinen. Und die Alternative wäre, dass ein Inhalt gar nicht weitergenutzt werden kann und man ihn somit selbst erstellen müsste. Das dürfte noch um einiges aufwändiger sein.


Wenn Du damit jetzt grundsätzlich verstanden hast, wie Du OER weiternutzen kannst, musst Du jetzt nur noch wissen, wo und wie Du OER findest. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten:

Einen ausführlichen Einstieg in das Thema OER erhältst Du im OER-Buch von Joeran Muuß-Merholz.


3. Barcamps als partizipatives Veranstaltungsformat

Oben haben wir schon über Peer-to-Peer Lernen im kleinen Rahmen mit der Umsetzung von Mikrofortbildungen gelernt. Das gleiche Prinzip lässt sich mit Barcamps auch größer gestalten. Aber was ist ein Barcamp?

Bei einer klassischen Konferenz steht das Programm vorab fest, es gibt referierende und teilnehmende Personen gibt und die Atmosphäre ist meist formalisiert. Bei einem Barcamp werden diese Erwartungen umgedreht: Das Programm steht nicht fest, sondern wird vor Ort gemeinsam entwickelt und alle sind teilgebende Personen. Deshalb bezeichnet man Barcamps auch häufig als ‚Unkonferenzen‘.

Barcamps bzw. Unkonferenzen lassen sich sowohl innerhalb einer Schule als Fortbildungsformat nutzen. Ebenso können Barcamps als externe Fortbildungen ausgewählt werden. In beiden Fällen ermöglicht es das Barcamp-Prinzip, dass Kollaboration praktisch gelebt wird. Das liegt daran, dass alle Beteiligten dafür verantwortlich sind, dass die Veranstaltung gut funktioniert. Keine Person kann danach kritisieren, dass ihr Thema gefehlt hat. In diesem Fall hätte sie einfach eine eigene Session (= einen Programmpunkt beim Barcamp) anbieten können.

Mehr über die Konzeption und Durchführung eines Barcamps als pädagogischen Tag kannst Du in diesem Blogbeitrag lernen. Ausführlich informiert Dich das ‘Barcamp-Buch’ von Jöran Muuß-Merholz über Barcamps und auch andere Peer-to-Peer Lernformate. Hier gibt es das Buch, das als OER veröffentlicht wurde, in einer Online-Version.

Wenn Du Lust auf ein überregionales und spannendes Barcamp im Bildungsbereich hast, dann kannst Du bei der Edunautika vorbeischauen bei den Educamps. Weitere Bildungs-Barcamps findest Du auch über die Barcamp-Liste.


4. Willkommen im #twitterlehrerzimmer!

Kollaboration und Vernetzung geht natürlich nicht nur analog, sondern auch online. Eine immer wichtigere Rolle für Lehrkräfte spielt dabei das soziale Netzwerk Twitter. Du erhältst dort Einblicke in aktuelle Entwicklungen, Ideen zum Ausprobieren oder Ankündigungen. Darüber hinaus kannst Du Twitter auch für eigene Fragen nutzen: Wer weiß Bescheid über ein bestimmtes Tool? Wer kann bei einer Veranstaltung unterstützen? Wer hat eine Idee für eine Methode? Und natürlich kannst Du auch eigene Erfahrungen teilen. Darüber werden wir in der nächsten Lerneinheit noch mehr lernen.

Passiv mitlesen kannst Du bei Twitter auch ohne einen eigenen Account. Um Vernetzung zu erreichen, solltest Du Dich aber registrieren. Für Dein Profil ist eine kurze Beschreibung und ein Profilbild wichtig, Danach kannst Du schon Deinen ersten Tweet schreiben - und suchen, wem Du folgen möchtest.

Wie aber findest Du andere Lehrkräfte und für Dich interessane Debatten zu Bildungsthemen? Auf Twitter werden zur Kommunikation und Vernetzung so genannte Hashtags genutzt. Hashtags sind Begriffe, denen ein # vorangestellt wird. Wer einen Hashtag anklickt, erhält alle mit diesem Begriff geschriebenen Beiträge. Für Lehrkräfte ist der wahrscheinlich wichtigste Hashtag ‘#twitterlehrerzimmer’. Unter diesem Hashtag findest Du Beiträge von Lehrkräften aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Zum Teil wird der Hashtag auch in der gekürzten (und genderoffenen) Form #twlz verwendet.


Im folgenden Clip ist der Einstieg auf Twitter und der ‘Weg’ ins #twitterlehrerzimmer erklärt:


Wenn Du zunächst einen Einblick in das Twittern von Pädagog*innen erhalten willst, dann lasse Dir auf der Website twittern.xyz Zufalls-Tweet aus der pädagogischen Twitter-Blase anzeigen.


5. Perspektive Frei-Day

Die bisherigen Vorschläge ändern nichts an der grundsätzlichen Struktur, dass Lehrer*innen in der Regel allein vor ihrer Klasse stehen. Dazu sind auch strukturelle Veränderungen hin zu einem fächerverbindenden, projektorientierten Unterricht nötig. Wenn Du also noch weiterdenken und Schulentwicklung mit kollaborativer Perspektive gestalten willst, dann solltest Du jetzt weiterlesen:

In den letzten Jahren ist Kollaboration unter Lehrkräften mehr und mehr zu einem Thema geworden. Ausprobiert und reflektiert wird zum Beispiel zu Peer-Teaching und offenen Klassenzimmertüren. Hier besuchen sich Lehrkräfte gegenseitig in ihrem Unterricht und geben sich Feedback. Weiterführender ist das Projekt des Frei-Day.

Kurz gefasst ist der Frei-Day ein Modul mit mindestens vier Stunden pro Woche, das es Schüler*innen ermöglicht, sich mit selbst gewählten Fragen und Herausforderungen zu beschäftigen und Lösungen zu entwickeln. Im folgenden Clip stellen einige Schüler*innen das Konzept in 60 Sekunden vor:


Das Schöne am Frei-Day ist, dass Du hier auf ein Netzwerk von anderen Schulen, Materialien und Erfahrungen zurückgreifen kannst. Ihr müsst an Eurer Schule also nicht ganz neu überlegen, wie ein kollaborativer Bildungsansatz aussehen könnte. Alle Informationen findest Du auf der Website frei-day.org.