WICHTIGER HINWEIS VORAB: DIE FOLGENDEN AUSFÜHRUNGEN FASSEN DIE LERN-/ LEHRMITTEL-DEFINITIONEN FÜR NIEDERSACHSEN ZUSAMMEN UND GEBEN ERFAHRUNGSWERTE DER AUTOREN DES KURSES WIEDER. SIE STELLEN KEINE RECHTSBERATUNG DAR!

AUS AKTUELLEM ANLASS: DIE AMTIERENDE ROTGRÜNE NIEDERSÄCHSISCHE LANDESREGIERUNG KÜNDIGT IN IHREM KOALITIONSVERTRAG (NOVEMBER 2022) AN, SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER AB KLASSE 8 MIT ENDGERÄTEN AUSZUSTATTEN. ZUM JETZIGEN ZEITPUNKT IST NICHT KLAR, WELCHE GERÄTE AN DIE SCHULEN KOMMEN WERDEN UND WANN/ WIE DIE EINFÜHRUNG UMGESETZT WIRD. FALLS SIE PLANEN, ELTERNFINANZIERTE GERÄTE ANZUSCHAFFEN, SOLLTEN SIE DIESE AKTUELLEN RAHMENBEDINGUNGEN DEN ELTERN TRANSPARENT MACHEN UND GEMEINSAM ERÖRTERN, OB AN EINER ELTERNFINANZIERTEN ANSCHAFFUNG FESTGEHALTEN WERDEN SOLLTE. 

IN EINEM BRIEF AN DIE SCHULLEITUNGEN UND LEHRKRÄFTE ENDE 2022 SCHREIBT DIE KULTUSMINISTERIN JULIA WILLIE HAMBURG:

"Ich werde häufig gefragt, ob mit der Anschaffung und Implementierung gewartet werden sollte. Bitte planen Sie vorerst ohne die durch das Land finanzierten Schülerendgeräte – wir werden übergangsweise prüfen, wie wir weitere Leihgeräte sowie eine Finanzierung für Schülerinnen und Schüler mit geringem Einkommen umsetzen können. Die Zurverfügungstellung digitaler Endgeräte für Schülerinnen und Schüler durch das Land wird in der Vorbereitung und auch durch die Verhandlungen mit der Bundesebene jedenfalls noch dauern."

Lernmittel sind Arbeitsmaterialien, die zur erfolgreichen Teilnahme am Unterricht benötigt werden. Dazu zählen Schulbücher und Lernmaterialien wie z.B. Taschenrechner, Zirkel oder Zeichengeräte. Die Beschaffung von Lernmitteln obliegt gemäß § 71 Abs. 1 NSchG den Erziehungsberechtigten. 

Lehrmittel bezeichnen die zur Ausstattung der Schule gehörenden Unterrichtsmittel wie z.B. geographische Karten oder Materialien für den naturwissenschaftlichen Unterricht. Die Ausstattung der Schule obliegt dem Schulträger. 

Die Einordnung von Tablets in diese beiden Kategorien ist schwierig. Die RLSB klassifiziert Tablets als Lernmittel. Zum rechtskonformen Handeln in Bezug auf die Einführung nennt sie folgende zentrale Punkte (die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):

  • Das digitale Endgerät (Lernmittel nach § 71/Abs. 1 NSchG) wird von den Eltern angeschafft. 
  • Es werden keine Produktvorgaben (Hersteller, Betriebssystem) gemacht.
  • Es werden systemneutrale Mindeststandards definiert (z. B. Bildschirmgröße mind. 10“, externe oder integrierte Tastatur, Kopfhörer).  
  • Ein die Mindeststandards erfüllendes digitales Endgerät ist für max. 150 € im Handel erhältlich.
  • Ein Mobile Device Management (MDM) — sofern vorhanden — greift nicht auf private Bereiche der digitalen Endgeräte zu. 
  • Das digitale Endgerät wird — ggf. nach einer kurzen Übergangszeit —  in SJG 5 eingeführt (bzw. aus der Grundschule fortgeführt). 

Diese Vorgaben, die alle richtig sind, sind für Schulen in der Praxis jedoch nicht einfach umzusetzen: Viele Schulen möchten z.B. mit einem einheitlichen Gerät arbeiten. Bestimmte Apps gibt es zudem nicht für alle Betriebssysteme. Die Heterogenität an verschiedenen Endgeräten erschwert für Lehrkräfte damit die Unterrichtsplanung, im Zweifel kann sogar nur mit Webdiensten gearbeitet werden. Auch die Umsetzung des Prüfungsmodus' wird durch die Arbeit mit unterschiedlichen Betriebssystemen erschwert bzw. teilweise sogar unmöglich gemacht. Abschließend ist zu konstatieren, dass es schwierig ist, geeignete Geräte für max. 150,00€ zu finden.

Im Gegensatz zur Einschätzung der RLSB kommt das Sozialgericht Niedersachsen-Bremen in einem Urteil aus dem Jahr 2020 zu der Einschätzung, das Tablets nicht als Lernmittel, sondern als Lehrmittel einzuordnen sind: "Folglich muss ein Tablet in einer iPadKlasse [sic!] wie bei der sonstigen Logistik, z.B. einer Tafel oder einem Overheadprojektor, von der Schule selbst gestellt werden." Tablets gelten allerdings nur als optionale Ausstattungsgegenstände. Man kann deshalb annehmen, dass Schulträger die Kosten für eine 1:1-Ausstattung mit Tablets nicht übernehmen werden. 

Eine Ausstattung mit Tablets kann also nur durch die Elternfinanzierung gelingen. Deshalb sollte die Einbindung der Erziehungsberechtigen von Projektbeginn an höchste Priorität haben. Außerdem bedarf es eines schulweiten Konsenses und entsprechender Beschlüsse aller Gremien wie der Gesamtkonferenz und des Schulvorstands, auch wenn diese Beschlüsse nicht rechtsverbindlich sind. 

Falls Erziehungsberechtigte kein elternfinanziertes Tablet anschaffen können oder möchten, das nicht den Vorgaben der RLSB entspricht, muss die Schule dies akzeptieren. Wenn eine Schule aber für einen Jahrgang Tablets anschaffen lässt, haben die Eltern dieses Jahrgangs das Recht, die Ausstattung bzw. Ausleihe durch die Schule einzufordern. Ein Kontingent an Leihgeräten könnte z.B. über den Förderverein angeschafft werden. Wenn der Schulträger Geräte aus eigenem Budget beschafft und diese an den Förderverein der Schule übergibt, dann kann dieser die Tablets gegen eine Spende verleihen und an BuT-Empfangende kostenlos bereitstellen. Auch können so Spenden von Firmen für die Beschaffung von Tablets verwendet werden.

Wenn eine Schule Tablets im Rahmen eines privatrechtlichen Leihvertrages ausgibt, ist folgendes zu beachten: Da iPads keine zugelassenen Lernmittel sind, ist hier nicht geklärt, ob die erhobenen Leihgebühren BuT-fähig sind. Daher ist bei Leistungsempfängern von einer Erhebung von Leihgebühren abzusehen. Ansonsten ist die kostenpflichtige Ausleihe durchaus möglich. Sie kann aber nicht verbindlich gefordert werden, d.h. in diesem Fall würden die Geräte im Unterricht zur Verfügung gestellt. Was bedeutet das konkret? Den entsprechenden Schülerinnen und Schülern müsste jeden Morgen ein Leihgerät ausgehändigt werden, das bei Schulschluss wieder eingesammelt wird. Sollten Hausaufgaben mit dem Tablet anzufertigen sein, muss die Schule nachmittags Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, in welchen die Aufgaben mit Leihgeräten bearbeitet werden können. Der entscheidende Punkt ist, dass die Tablets von diesen Schülerinnen und Schülern nicht mit nach Hause genommen werden dürfen. 

Eine kostenpflichtige Ausleihe ist bei Geräten, die über den Digitalpakt beschafft worden sind, jedoch nicht möglich. Falls der Träger aus eigenem Budget Tablets beschafft hat, so kann er diese gegen Gebühr verleihen. Eine Schule sollte dies nicht tun, die Verrechnung der Einnahmen mit dem Schulbudget muss vom Samtgemeinderat bzw. Landkreistag (je nach Träger) genehmigt werden. Details lassen sich im kommunalen Haushaltsrecht nachlesen. 

Eine Verweigerung von Unterricht mit digitalen Endgeräten ist nicht möglich. Eltern können also nicht die Analogbeschulung fordern, wenn Tablets vorhanden sind. Umgekehrt können Eltern keine Digitalbeschulung einfordern, wenn für den Jahrgang ihres Kindes keine Anschaffung von digitalen Endgeräten geplant ist.

Alternativ zu einem Ausleihe-Konzept können die Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs, deren Eltern sich gegen die Tablet-Nutzung aussprechen, in einer Klasse zusammengefasst werden. Damit gehen aber wiederum folgende Probleme einher: Zum einen gibt es Schwierigkeiten im klassenübergreifenden (verkursten) Unterricht. Zum anderen besteht bei einer solchen Klasseneinteilung die Gefahr einer Stigmatisierung der Nicht-Tablet-Klasse. Außerdem muss bedacht werden, dass Erziehungsberechtige, die der elternfinanzierten Anschaffung zunächst zugestimmt haben, ihr Einverständnis jederzeit (auch während des laufenden Schuljahres) ohne Angabe von Gründen widerrufen können. Dies kann für die Schulen problematisch werden, die keine kostenfreien Leihgeräte zur Verfügung stellen (können). 

Alle diese Hinweise beziehen sich auf Regelschulen. Bei Wahlschulen verhält es sich etwas einfacher: Diese können direkt bei der Einschulung über den Schulvertrag verpflichtende elternfinanzierte Tablets einfordern.


Zuletzt geändert: Mittwoch, 18. Januar 2023, 11:46