Sachanalyse

Das Geschäftsmodell Streaming

Das Internet hat das Mediennutzungsverhalten in den vergangenen 20 Jahren maßgeblich geprägt. Fernsehen findet heute nicht mehr linear, sondern orts- und zeitunabhängig auf verschiedenen Streamingportalen statt. Dahinter stehen verschiedene Angebots- und Geschäftsmodelle.

Grundsätzlich wird zwischen zwei Hauptformen unterschieden: Auf werbefinanzierten Video-on-Demand (VoD)-Plattformen (z. B. YouTube) können Nutzerinnen und Nutzern die Videos – unter Speicherung ihrer persönlichen Daten – zwar kostenfrei abspielen, dafür werden (personalisierte) Werbeanzeigen vor, während oder nach dem Schauen eingeblendet. Denn die Finanzierung der VoD-Plattformen erfolgt durch Werbung. Demnach haben Plattformbetreibende zwei Kundengruppen: Nutzerinnen und Nutzer sowie Werbetreibende. Für die Streaminganbieter bedeutet dies: Je mehr Nutzerinnen und Nutzer sie verzeichnen und je mehr personenbezogene Daten sie generieren, desto passgenauer kann Werbung ausgespielt und desto mehr Geld von Werbetreibenden verlangt werden. Ein anderes Geschäftsmodell ist die Nutzerfinanzierung von Streaming-Diensten (z. B. bei Netflix, Amazon Prime). Nutzerinnen und Nutzer zahlen hier mit Geld, um die Angebote des Streamingdienstes zu nutzen. Dabei ist es sowohl möglich, für einmaliges Ansehen zu bezahlen (Pay per View, z. B. einmalig einen Film auf Amazon Prime ansehen) als auch für eine Film- und Serienflatrate als Abonnement (das gesamte Angebot steht dauerhaft zu Verfügung, z. B. bei Netflix). In den letzten Jahren führen Streaminganbieter jedoch neue Konzepte ein, sodass werbe- und nutzerfinanzierte Geschäftsmodelle näher zusammenrücken. So testet YouTube in seinem Premium-Modell die Werbefreiheit gegen Bezahlung, während Netflix beispielsweise einen vergünstigten Tarif mit Werbeeinblendungen anbietet.

Da es sich beim Bewegtbild-Streaming um einen Markt mit starkem Wettbewerb handelt, ergreifen die Anbieter unterschiedliche Strategien, um sich gegeneinander durchzusetzen. Um von großen Filmverleihen unabhängig zu sein und sich gegenüber anderen Anbietern abzugrenzen, produzieren und vermarkten die Anbieter ihre eigenen Angebote. Serien und Filme der Konkurrenz werden aus dem Angebot verbannt. Darüber hinaus verfolgt beispielsweise Netflix eine Kooperationsstrategie. Der Streamingdienst investiert weltweit in lokale Produktionsteams, die neue Formate für den Streamingriesen umsetzen. Über landestypische Sehgewohnheiten oder regional bekannte Schauspielerinnen und Schauspieler kann Netflix neue Märkte erschließen und neue Nutzerinnen und Nutzer gewinnen.

Quality TV

Ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal, mit dem Streaminganbieter versuchen, sich gegenüber der Konkurrenz auszuzeichnen, sind möglichst hochwertige Serien. Diese werden auch als „Quality TV“ oder „Qualitätsserien“ bezeichnet. Sie sind für ein anspruchsvolles Publikum gestaltet. Merkmale sind beispielsweise eine realistische Machart, die Behandlung kontroverser Themen sowie besonders vielschichtige, sich weiterentwickelnde Charaktere, mit denen die Zuschauerinnen und Zuschauer intensiv mitfiebern können. Darüber hinaus soll die offene Struktur das Publikum an die Serien binden. Oft verlaufen mehrere Handlungsstränge parallel, die aufeinander oder auch auf vergangene Ereignisse Bezug nehmen. Aus ihnen entfaltet sich ein komplexes dramaturgisches Netz, das die Zuschauerinnen und Zuschauer in den Bann zieht. Die Serien werden in der Regel so erzählt, dass sie nie auf ein Ende hinauslaufen, bei dem alle Fragen geklärt und alle Rätsel gelöst sind. Cliffhanger an Spannungshöhepunkten in der Narration fördern darüber hinaus das Binge Watching[1].

Algorithmen auf Netflix und Co.

Ein weiteres Mittel, um die Zuschauerinnen und Zuschauer möglichst lange auf derselben Streaming-Plattform zu halten, sind algorithmische Empfehlungssysteme. Es werden gezielt nutzer- und inhaltsbezogene Daten erhoben, um möglichst passgenaue Vorschläge zum Weiterschauen zu unterbreiten. Insbesondere unerfahrene Nutzerinnen und Nutzer sind anfällig für solche Empfehlungen.

Algorithmen sind regelbasierte, mathematische Verfahren, die Daten analysieren, um darin Zusammenhänge und Muster zu erkennen. Um das vermeintlich beste Anwendungserlebnis zu bieten, werden die gesammelten personenbezogenen Daten aggregiert, klassifiziert und sortiert. So werden passgenaue Inhalte oder Suchergebnisse vorgeschlagen, die den persönlichen Präferenzen der Nutzerinnen und Nutzer entsprechen. Jede digitale Aktion liefert Algorithmen detaillierte Informationen über die Vorlieben und Persönlichkeitsmerkmale der Anwenderinnen und Anwender. Basierend auf dem vorangegangen Nutzungsverhalten wird immer wieder neu definiert, welche Inhalte gezeigt oder nicht gezeigt werden. So sorgen algorithmische Entscheidungsprozesse dafür, dass jede Nutzerin und jeder Nutzer eine personalisierte Medienumgebung erhält.

Didaktisch-methodische Analyse

Wie wir fernsehen, hat sich in den vergangenen 20 Jahren maßgeblich geändert. Hinter dem Streaming, der inzwischen gängigsten Form des Fernsehens, verbergen sich komplexe Mechanismen und Risiken. Jugendlichen müssen über diese aufgeklärt werden. Junge oder unerfahrene Nutzerinnen und Nutzer werden schnell vom Sog der Streaming-Welt oder dem Binge-Watching-Potential vieler Serien ergriffen. Daher ist es wichtig, dass Jugendliche sich bereits früh mit ihrem Mediennutzungsverhalten auseinandersetzen und lernen, Medien und deren Inhalte selbstbestimmt zu nutzen.

Inhalt und Struktur des Moduls:

Teil A: „Im Bann von Netflix & Co.“ befasst sich mit der Frage, welche Serien die Schülerinnen und Schüler kennen und warum sie bestimmte Serien in den Bann ziehen. In einem ersten Schritt wird mit einem Fragebogen erkundet, welche Serien die Lernenden kennen und mögen. Sinnvoll kann es sein, den Fragebogen mithilfe von digitalen Umfragetools (z. B. Mentimeter, arsnova) auszuwerten, die die Ergebnisse unmittelbar visualisieren. Die Ergebnisse werden in der Klasse diskutiert. Anschließend befassen sich die Lernenden mithilfe eines interaktiven Schaubildes mit den Merkmalen von Serien und erkunden, warum manche Serien uns fesseln, während wir andere nicht weiterschauen möchten.

Teil B: „Wer bestimmt, was wir sehen?“ setzt sich mit der Funktionsweise von Algorithmen auseinander. Ein interaktiver Informationstext klärt darüber auf, wie Algorithmen im Internet eingesetzt werden, um Empfehlungen und Werbung zu personalisieren. Sie diskutieren die Vor- und Nachteile, die algorithmische Entscheidungssysteme mit sich bringen und werten aus, was Newsfeeds über uns verraten.

In Teil C: „Das Geschäftsmodell einer Streaming-Plattform“ führt ein interaktives Schaubild die Lernenden an die unterschiedlichen Interessen und Akteure im Streaming-Geschäft heran. Auf diese Weise werden sie dafür sensibilisiert, dass sich hinter dem Streaming nicht nur das Fernsehen verbirgt, sondern eine gesamte Industrie ihr Nutzungsverhalten beeinflusst. Außerdem vergleichen sie das Geschäftmodell von Streaming-Diensten mit dem von Videoportalen wie YouTube oder TikTok.

Weiterführende Links

  • Dieser Artikel der BZgA informiert Jugendliche über Binge-Watching, die Risiken und Alternativen.
  • Das Redaktionsnetzwerk Deutschland liefert Hintergrundinformationen zu Algorithmen auf Social Media.
  • Die gemeinnützige Organisation AlgorithmWatch beobachtet und analysiert die Auswirkungen automatisierter Entscheidungssysteme auf die Gesellschaft.
  • Dieses Video informiert über Strategien im Umgang mit Algorithmen.

[1] Binge-Watching ist ein modernes Phänomen, das sich mit der Entstehung von Video-on-Demand-Plattformen entwickelt hat. Beim Binge-Watching werden mehrere Episoden einer Serie unmittelbar hintereinander konsumiert. Viele Streaminganbieter intendieren ein solches Verhalten z. B. durch das Veröffentlichen aller Folgen einer Staffel auf einmal oder die automatische Wiedergabe der nächsten Folge. Auch die Struktur der Serien selbst (z. B. Cliffhanger am Folgenende) trägt dazu bei, dass man sich oft nur schwer wieder losreißen kann.