Häufig wird die Diskussion über die Einführung von digitalen Endgeräte im Unterricht sehr emotional geführt - sowohl von den befürwortenden als auch von den kritischen Stimmen. Um diese Diskussion auf eine sachliche Ebene zu führen, ist es sinnvoll, einen Blick auf die Studienlage zu werfen. Es wird hier deutlich, dass z.B. Tablets im Unterricht per se nicht gut oder schlecht sind. Die Effektstärke für den pädagogischen und didaktischen „Mehrwert“ wird je nach Unterrichtsszenario, welches man u.a. auf folgenden Koordinatenachsen verorten und je nach Bedarf anpassen kann, ganz unterschiedlich ausfallen:
 
Vertrauen und Freiheit <=> Kontrolle und Struktur
offene Projektarbeit <=> kleinschrittige Übungen
asynchron <=> synchron
Peerfeedback <=> Feedback durch Lehrende
 
(Die Idee dieser Koordinatenachsen stammt aus einem Impulspapier von Krommer, Wampfler und Klee für das Ministerium für Schule und Bildung des Landes NRW.)
 
Hier finden Sie eine Auswahl verschiedener Studien mit untschiedlichen Ansätzen und Ergebnissen:
 
 
Auszug S. 43: „Der Überblick über die Forschungslage zeigt eindruckshaft, dass Tablets zu einem verbesserten Lernen etwas beitragen können. […] Wir haben aber auch deutlich gemacht, dass der Erfolg des Einsatzes von Tablets in Schule und Unterricht zum einen von der Nutzung der pädagogischen und fachdidaktischen Potenziale der Geräte und deren Anwendungen abhängig ist. Dass zum anderen aber auch die Gestaltung von Lemumgebungen und neuere Ansätze aus der Lempsychologie einen wichtigen Beitrag zur sinnvollen Verwendung von Tablets leisten, darf nicht ver­ gessen werden. Und nicht zuletzt muss gesehen werden, dass beides auch unter dem Aspekt von Schulentwicklung fällt. Dies heißt, dass Schulen als Ganzes und nicht nur die einzelne Lehrperson sich Gedanken darüber machen muss, welche Rolle Tablets an ihrer Schule spielen sollen.“
 
 
Auszug S. 23 (übersetzt): „Die vorliegende Meta-Studie […] zeigt eindeutig, dass eine angemessene Menge an Forschungsergebnissen zur Verfügung steht, die die Auswirkungen der Tablet-Nutzung auf das Wissen und die Fähigkeiten von Schülern untersucht.
Von den 12 Studien, deren methodische Glaubwürdigkeit als 'hoch' eingestuft wurde, berichten neun über positive Lernergebnisse und drei über keinen Unterschied bei den Lernergebnissen; keine berichtet über negative Lernergebnisse. Es scheint kaum Zweifel daran zu geben, dass Tablets (und andere mobile Technologien) Kinder sinnvoll unterstützen können, damit sie in der Lage sind, eine Vielzahl von Lernaufgaben zu erledigen."
 
 
Die Autorinnen fassen den aktuellen Forschungsstand im deutschsprachigen Raum zusammen (Auszug S. 40f.): „Das Tablet kann demnach als produktives Werkzeug der Unterstützung verschiedener Unterrichtskonzepte, zur Förderung von Medienkompetenz und zur Förderung der individuellen Lernstrategien dienen. […] Susanne Heinz (2013) beschäftigt sich in ihrer Forschung mit Tablets als Hilfsmittel im Englischunterricht an Gymnasien. Sie stellt fest, dass die mobilen Endgeräte die Möglichkeit liefern, authentische Lernmaterialien (z.B. Lernvideos, Audiodateien) bereitzustellen und gleichzeitig eine Öffnung des Klassenraums in Richtung der Native Speaker ermöglichen. Kommunikative Kompetenzen in der Fremdsprache können durch die Einbindung beispielsweise von Chats oder Wikis gefördert werden […]. Sowohl von Lernenden als auch von Lehrenden wird das Potenzial durch sogenannte storymaking apps beschrieben, die ein individuelles Sprechen und eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Sprache fördern. Im naturwissenschaftlichen Bereich gibt es weitere Studien, die einen Mehrwert durch den Tableteinsatz feststellen können. So zeigen etwa Genz und Bresges (2017) in ihrem Design-Based-Research-Projekt mit Versuchs- und Kontrollgruppe in einer 9. Jahrgangsstufe einer Gesamtschule auf, dass das Tablet in bestimmten Lehr-Lernszenarien gerade auch bei leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern vorteilhaft sein kann, was vor allem daran liegt, dass der Austausch über und die Reflexion des Gelernten durch das Tablet befördert wird. Hirth et al. (2016) beschäftigen sich vor dem Hintergrund des Seamless Learning mit Smartphones und Tablets im Physikunterricht in der gymnasialen Oberstufe und können hier positive Effekte durch Experimente mit dem Tablet im formellen Rahmen auf ein 'nahtloses' und damit informelles Lernen feststellen.“
 
   
Diese Analyse auf Grundlage der Metastudie von Hattie wird häufig als Beweis für die fehlende Effektstärke des Einsatzes von Tablets im Unterricht (Effektstärke d = 0,27 = „wirkt wenig“ / Aussagekraft q = 8,29 = „gut“) herangezogen. Ein genauerer Blick darauf lässt aber erkennen, dass in diese Kategorie viele Studien zum Einsatz von privaten Smartphones im Unterricht enthalten sind, bei denen ein besonders hohes Ablenkungspotenzial sichtbar wird (bei installierten privaten Apps nicht verwunderlich).
Auch zeigen die Ergebnisse, dass es sehr wohl Einsatzmöglichkeiten von Tablets gibt, die eine höhere Effektstärke aufweisen:
Digitalisierung im Fremdsprachenunterricht (d = 0,53 „wirkt gut“ / q = 7,59 = Aussagekraft „eher gut“)
Digitalisierung im Sekundarbereich I (d = 0,51 = „wirkt gut“ / q = 8,69 = Aussagekraft „sehr gut“)
Digitalisierung beim Schreiben (d = 0,44 = „wirkt gut“ / q = 10 = Aussagekraft hervorragend)
So kommt Zierer am Ende nur zum Schluss: „Technik für sich alleine genommen und ohne die Einbettung in ein pädagogisches Gesamtkonzept erreicht nur eine geringe Wirksamkeit.“ (S. 12)
 
                                                       
Auszug S. 15: „Bessere Lernbedingungen. Die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten, den Unterricht stärker zu individualisieren und eine größere Vielfalt an Methoden einzusetzen. Eine Sonderauswertung der PISA-Studie von 2018 durch McKinsey hat ergeben, dass sich in den Fächern Deutsch, Mathematik und Naturwissenschaften Beamer und internetfähige Computer im Unterricht positiv auf die Lernleistung auswirken. Der Einsatz digitaler Medien sollte jedoch durch den Lehrer oder mit diesem gemeinsam erfolgen.“
 
 
Von Gegnern einer 1:1-Einführung von Tablets wird häufig diese Metastudie häufig angeführt. In dieser wird aufgezeigt, dass Erklärtexte in kurzer Zeit besser analog als digital gelesen werden sollten. Daraus sollte man für die schulische Praxis darauf drängen, dass in diesem Setting (Erklärtexte schnell konsumieren) das Lesen auch zukünftig weiterhin analog ermöglicht wird, was jederzeit auch bei einer 1:1-Ausstattung möglich sein sollte. 
In anderen Settings kann das digitale Lesen dem analogen aber auch überlegen sein, was man differenziert im Forschungsüberblickung zusammengestellt vom  Mercator Institut für Sprachförderung der Universität Köln mit dem Titel „Faktencheck: Lesen und Schreiben in der digitalisierten Gesellschaft“ vom 12.06.2023 nachlesen kann.
 
Eine strukturierte Übersicht der Argumente gegen das Digitale in der Schule und einige Anmerkungen dazu vom Informatik-Didaktiker Honegger finden Sie hier:
 
Zuletzt geändert: Montag, 20. November 2023, 10:55