Lernbegleitung
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Lernwirksamer Unterricht – Konzepte und praktische Umsetzung
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Lernwirksamer Unterricht – die Grundlagen
Zum Thema lernwirksamer Unterricht hat das Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW) eine Publikationsreihe „Wirksamer Unterricht“ entwickelt, die kostenlos zur Verfügung gestellt wird – mehr dazu unten.
Für dieses Lernangebot haben wir für Sie ein Video erstellt, das auf Band 1 dieser Reihe basiert, der Publikation Grundlagen für einen wirksamen Unterricht von Ulrich Trautwein, Anne Sliwka und Alexandra Dehmel. Die Publikation und damit auch dieses Video geben einen Überblick zu zentralen Aspekten guten, wirksamen Unterrichts. Sie erklären Unterricht als vielschichtiges, hoch komplexes Geschehen mit verschiedensten Einflussfaktoren.Das Video ist in sieben Kapitel aufgeteilt. Am Ende jedes Kapitels folgt eine Quiz-Übung, mit der Sie Ihr Wissen testen können.
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Expand Collapse Das Transkript zum Video finden Sie hier. Das Video verfügt über Untertitel, die Sie aktivieren können.
00:00:07:06 - 00:00:08:07
Jula Henke
Hallo und herzlich willkommen!
00:00:08:21 - 00:00:11:19
Jöran Muuß-Merholz
Unsere Namen sind Jula Henke und Jöran Muuß-Merholz.
00:00:12:00 - 00:00:15:18
Jula Henke
Wir starten in dieses Video mit einem Überblick.
00:00:17:24 - 00:02:52:21
Jöran Muuß-Merholz
Hier kommen drei Aussagen über Unterricht. Erste Aussage: Unterricht sollte multiple Ziele verfolgen, zum Beispiel kognitiv und motivationale Ziele. Man spricht von Multikriterialität. Zweite Aussage: Unterricht ist ein Angebot, das von Schülerinnen und Schülern genutzt werden soll und dessen Wirkung von verschiedenen Faktoren abhängt, unter anderem von der Nutzung der Lernenden, also von den Lernaktivitäten, von deren individuellen Voraussetzungen, beispielsweise vom kognitiven Lernpotenzial und vom Kontext, zum Beispiel den schulischen Rahmenbedingungen.
Wir sprechen hier insgesamt vom Angebots-Nutzungs-Modell. Die dritte Aussage über Unterricht: Unterricht ist ein komplexes Geschehen. Beim Unterrichten geht es um das Gestalten von Lerngelegenheit. Das ist das Angebot und das erfolgreiche Zusammenspiel von Sichtstrukturen und Tiefenstruktur. Die Sichtstrukturen, die auch Oberflächenstrukturen genannt werden, liefern den Rahmen für Unterrichtsprozesse. Sie sind vergleichsweise leicht von außen beobachtbar.
Solche Strukturen umfassen in Bezug auf Unterricht erstens: Organisatorische Formen, zum Beispiel Klassenunterricht. Zweitens: Sozialformen, zum Beispiel Gruppenarbeit. Und drittens: Methoden, zum Beispiel Projektarbeit. Beim Unterrichten geht es auch um die Tiefenstruktur. Sie beziehen sich auf die unterhalb der Sichtebenen stattfindenden Lehr-Lern-Prozesse und umfassen die Qualität der Interaktion der Lernenden mit dem Lernstoff. Die Qualität der Interaktion zwischen den Lernenden und der Lehrkraft sowie die Interaktion der Lernenden untereinander.
Diese Tiefenstrukturen lassen sich in drei Basisdimensionen ordnen. Man bezeichnet sie auch als Basisdimensionen „guten“ bzw. „wirksamen“ Unterrichts oder als die Merkmale der Prozessqualität des Unterrichts. Diese Merkmale umfassen erstens Klassenführung, zweitens konstruktive Unterstützung und drittens kognitive Aktivierung der Lernenden.
00:02:54:03 - 00:03:16:00
Jula Henke
Tiefenstrukturen sind von entscheidender Bedeutung. Empirische Studien zeigen: Gelingende Klassenführung, ein hohes Maß an konstruktiver Unterstützung und eine erfolgreiche kognitive Aktivierung wirken sich positiv auf die Lernentwicklung und die motivationale Entwicklung von Schülerinnen und Schülern aus – unabhängig davon, welche Methoden sowie Organisations- und Sozialformen zum Einsatz kommen.
00:03:21:05 - 00:03:36:00
Jöran Muuß-Merholz
Was ist wirksamer Unterricht und wie kann er realisiert werden? Diese Fragen sind nicht trivial, sondern zentral. Denn Unterrichtsqualität ist ein entscheidender Faktor für Qualität und Leistungsfähigkeit von Schule.
00:03:36:23 - 00:03:57:24
Jula Henke
Dieses Video basiert auf der Publikation „Grundlagen für einen wirksamen Unterricht“ von Ulrich Trautwein, Anne Sliwka und Alexandra Dehmel. Das ist Band 1 der Reihe „Wirksamer Unterricht“ des Instituts für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW). Wir werden ihn am Ende dieses Videos noch die weiteren Bände vorstellen und die kostenlosen Bezugsquellen nennen.
00:03:58:17 - 00:04:30:16
Jöran Muuß-Merholz
Unterricht ist ein vielschichtiges, hochkomplexes Geschehen mit verschiedensten Einflussfaktoren. Entsprechend komplex und vielfältig sind auch die Forschung hierzu und die Empfehlungen, wie „guter“ Unterricht gelingen kann. Dieses Video gibt einen Überblick zu zentralen Aspekten „guten“, wirksamen Unterrichts. Die wesentlichen Merkmale lassen sich in drei Basisdimensionen zusammenfassen – den sogenannten Tiefenstrukturen.
00:04:31:10 - 00:05:11:18
Jula Henke
Kurz und knapp gesagt: Auf die Tiefenstrukturen kommt es an. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass die Tiefenstrukturen einen entscheidenden Einfluss auf Qualität und Wirksamkeit von Unterricht haben. Tiefenstrukturen haben eine größere Erklärungsmacht für den Lernerfolg und die motivationale Entwicklung von Schülerinnen und Schülern als die Sichtstrukturen. Tiefenstrukturen sind also die nicht so einfach beobachtbaren Lehr-Lern-Prozesse.
Sie sind entscheidender als die Sichtstrukturen, die auch von fachkundigen Außenstehenden Unterrichtetsbeobachtern unmittelbar erfassbar sind. Dazu zählen zum Beispiel die Methoden und Sozialformen.
00:05:12:15 - 00:05:33:13
Jöran Muuß-Merholz
Die Tiefenstruktur lassen sich in drei sogenannte Basisdimensionen aufteilen. Erstens: Kognitive Aktivierung. Zweitens: Konstruktive Unterstützung. Und drittens: Klassenführung, auch Classroom Management genannt. Später in diesem Video werden wir diese drei Dimensionen einzeln betrachten.
00:05:34:05 - 00:06:48:03
Jula Henke
Was ist eigentlich „guter Unterricht“? Zu dieser Frage unterscheidet der Erziehungswissenschaftler Andreas Helmke zwei Sichtweisen. Da ist zum einen der prozessorientiert Zugang. Er misst Unterricht an seiner Prozessqualität. Es geht um die Beschaffenheit des Unterrichts (z. B. Interessen der Lernenden aufgreifen). „Guter“ Unterricht wird als Lehr-Lernsituation verstanden, die bestimmten anerkannten Qualitätsmerkmale entspricht. Die zweite Sichtweise ist der produktorientierte Zugang.
Er misst Unterricht an seiner Ergebnisqualität, beispielsweise an den Wirkungen bei Schülerinnen und Schülern und dem Erreichen von Lernzielen. Die aktuelle empirische Bildungsforschung ist sowohl prozess- als auch produktorientiert. Die aktuelle empirische Bildungsforschung ist sowohl prozess- als auch produktorientiert. Sie untersucht datenbasiert: Welche Merkmale weist ein Unterricht auf, der zu gewünschten Lernergebnissen führt? Generell gilt: „Guter“ Unterricht ist dadurch gekennzeichnet, dass er auf der Prozessebene anerkannten Qualitätsmerkmalen entspricht und auf der Produktebene Wirkungen (z. B. Lernzuwachs) erzielt.
00:06:51:09 - 00:07:24:15
Jöran Muuß-Merholz
Unterricht ist ein komplexes Geschehen. Aufgrund dieser Komplexität greifen einfache, lineare „wenn dann“-Folgerungen bei der Planung von Unterricht und der Frage nach Unterrichtsqualität meist zu kurz. Wie ist es bei dieser Komplexität überhaupt möglich, Aussagen über Wirkungszusammenhänge zu treffen und Handlungsempfehlungen für wirksamen Unterricht zu geben? Die Unterrichtsforschung hat Modelle entwickelt, die als Orientierungshilfe dienen.
00:07:25:17 - 00:07:46:21
Jula Henke
Kurz und knapp: Es gibt „Stellschrauben“ für lernwirksamen Unterricht. Das Angebots-Nutzungs-Modell bietet einen Überblick über die Variablen zur Erklärung von Lernerfolg und zeigt „Stellschrauben“ für die Erhöhung von Lernerfolg, z. B. die Qualität der Lehr-Lern-Prozesse im Unterricht und der Unterrichtsmaterialien.
00:07:47:11 - 00:09:43:14
Jöran Muuß-Merholz
Angebots-Nutzungs-Modelle haben gemeinsam, dass sie Unterricht als ein Angebot verstehen, das von den Schülerinnen und Schülern genutzt werden soll. Diverse Faktoren (z.B. Vorkenntnisse, Klassen, Klima, Motivation) beeinflussen, ob und wie die Lernenden das Angebot nutzen. Unterrichten ist also das Schaffen von Lerngelegenheiten. Sein Ertrag, also seine Wirkung, hängt im Wesentlichen von der Nutzung durch den Schüler oder die Schülerin ab.
Aus theoretischer Sicht bedeutet dies, dass Lernen als aktiver, selbstgesteuerter und individueller Prozess verstanden wird. Schauen wir uns einmal eine Abbildung als Beispiel „Das Angebots-Nutzungs-Modell“ von Andreas Henke an. Ausgangspunkt hier links ist die Lehrkraft, die den Unterricht als Angebot gestaltet. Die Lernaktivitäten sind die Nutzung dieses Angebots und am rechten Ende dieser Kette steht der Ertrag, also die Wirkungen.
Das alles geschieht nicht im luftleeren Raum. Das Unterrichtsangebot und seine Nutzung werden von den individuellen Voraussetzungen der Lernenden beeinflusst. Dazu zählen zum Beispiel der familiäre Hintergrund, das motivationale und das kognitive Lernpotenzial. Und Lehrkraft, Unterricht, Lernaktivitäten und Wirkungen stehen in einem Kontext, also den gesellschaftlichen und schulischen Rahmenbedingungen, beispielsweise der Schulform. Für Lehrkräfte steht die Angebotsseite im Zentrum, da sie diese aktiv beeinflussen können. Wie lässt sich das Angebot – also Unterricht – wirksam gestalten?
00:09:44:18 - 00:10:28:00
Jula Henke
Wenn wir uns fragen, was Unterricht bewirken soll, geht es um Multikriterialität als Ziel. Das bedeutet, Unterricht sollte multiple Ziele verfolgen. Daher spricht man von Multikriterialität von Unterricht. Hier einige Beispiele für verschiedene Ziele: Fachliche Kompetenzen, fachübergreifende Kompetenzen (beispielsweise Lern und Problemlösen), Kompetenzen, Motivation (beispielsweise Interessen), Emotionen (beispielsweise Freude an einem Fach), Einstellung (beispielsweise Leistungsbereitschaft) und Ziele im Sinne eines erweiterten Bildungsbegriff (beispielsweise Eigenverantwortlichkeit, Demokratiefähigkeit, Mündigkeit etc.)
00:10:33:14 - 00:12:44:10
Jöran Muuß-Merholz
Beginnen wir mit einem Zitat von der Psychologin Mareike Kunter: „Erfolgreicher multikriterialer Unterricht ist (…) nicht durch ein bestimmtes Vorgehen gekennzeichnet, sondern besteht aus der gelungenen Kombination verschiedener Gestaltungselemente, ist also in der sogenannten ‘Orchestrierun’ diverser Strategien zu sehen.“ Es gibt immer wieder Wellen, die z.B. in einer bestimmten Unterrichtsmethode die Lösung aller Probleme sehen. Das hat sich empirisch als nicht haltbar erwiesen.
In der Literatur finden sich jedoch verschiedene Kriterienkataloge, die Qualitätskriterien von Unterricht benennen und nützliche Hinweise bieten, was die Wirksamkeit von Unterricht nachweislich positiv beeinflusst. Diese Merkmalskataloge für „guten“ Unterricht eignen sich nicht zur „rezepthaften“ Anwendung, sondern dienen Lehrkräften vielmehr als Orientierungspunkte. In den letzten Jahren besteht Einigkeit zu den folgenden drei zentralen Punkten. 1) Zusammenwirken: Auf das Zusammenwirken der verschiedenen Merkmale kommt es an! Für lernwirksamen Unterricht ist weniger der Einsatz eines einzelnen Unterrichtsmerkmals entscheidend, sondern das Zusammenwirken verschiedener Merkmale.
Ein wichtiges Stichwort ist hier die „Orchestrierung“. 2) Wechselseitige Kompensierbarkeit: Defizite bei einem Merkmal können bis zu einem gewissen Grade durch Stärken in einem anderen kompensiert werden. 3) Bedeutung tiefenstruktureller Merkmale: Tiefenstrukturen, also z.B. eine effektive Klassenführung oder der Grad an kognitiver Aktivierung der Lernenden sowie die Unterstützung durch die Lehrkraft. Diese Tiefenstrukturen also haben im Blick auf fachliche Kompetenzen ein größeres Erklärungspotenzial für den Lernerfolg als Sichtstrukturen, also zum Beispiel bestimmter Sozialformen oder Unterrichtsmethoden.
00:12:45:07 - 00:13:41:17
Jula Henke
Kurz und knapp: Stichwort „Lernen sichtbar machen“. John Hattie veröffentlichte 2009 seine Studie „Visible Learning“ auf Deutsch, die 2013 unter dem Titel „Lernen sichtbar machen“ erschienen. Sie hat in Deutschland große Aufmerksamkeit erfahren, aber auch einige Kritik geerntet. Man kann von einem regelrechten „Hattie-Hype“ sprechen. Hattie hat über 800 Meta-Analysen aus der Unterrichtsforschung ausgewertet, die überwiegend aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum stammen. Dabei hat er 138 Faktoren herausgefiltert, sie in eine Rangfolge bezüglich ihres Wirksamkeit gebracht und sechs Domänen zugeordnet. Die Domänen lauten: Lernende, Elternhaus, Schule, Lehrperson, Curricula und Unterricht. Weitere Informationen dazu findet man im Netz unter www.lernensichtbarmachen.ch
00:13:43:18 - 00:16:38:18
Jöran Muuß-Merholz
Die Studien von John Hattie zu Befunden zur Wirksamkeit von Unterricht haben insbesondere die Bedeutung von Tiefenstruktur bestätigt und in den Fokus gerückt. Schauen wir genauer auf das Konzept von Sicht- und Tiefenstrukturen. Es kann auch mit der Eisberg Metapher beschrieben werden. Wie bei einem Eisberg ist nur ein gewisser Teil des Unterrichts sichtbar. Das sind die Sichtstrukturen. Währenddessen sind wesentliche und für den fachlichen Leistungszuwachs bedeutsame Teile unter der Wasseroberfläche verborgen. Hier sprechen wir von Tiefenstrukturen. Guter Unterricht beachtet sowohl die Sichtstrukturen als auch die Tiefenstrukturen. Entscheidend ist, zu differenzieren, welche Unterrichtsziele im Vordergrund stehen sollen bzw. welchen Stellenwert die verschiedenen Aspekte für das Lernen haben.
Unterricht lässt sich auf verschiedenen Ebenen betrachten. Auf dieser Abbildung sind die Ebenen in Tiefenstrukturen und Sichtstrukturen aufgeteilt. Schauen wir zunächst auf die Sichtstrukturen. Sie geben den Rahmen von Unterrichtsgestaltung vor und sind auch für fachkundige, außenstehende Unterrichtsbeobachter und -beobachterinnen schon innerhalb weniger Minuten erfassbar. Sichtstrukturen sind zentrale Bestandteile bei der Unterrichtsplanung, denn sie liefern das generelle „Setting“, um das Lernen im Unterricht zu ermöglichen.
Dieses „Setting“ lässt sich auf verschiedenen Ebenen beobachten und beschreiben. Die erste Ebene umfasst generelle Organisationsformen. Damit sind die strukturellen Rahmenbedingungen von Unterricht gemeint, zum Beispiel Regelunterricht oder Förderunterricht. Auf der zweiten Ebene finden wir Methoden, also Formen der Unterrichtsplanung und Unterrichtsgestaltung, die sich auch auf mehrere Unterrichtsstunden beziehen können und die nach bestimmten Prinzipien gestaltet sind. Hier geht es zum Beispiel um die Rolle der Lehrkraft und die eingesetzten Sozialformen.
Es gibt eine große Vielfalt an Methoden, unter anderem direkte Instruktion und Projektarbeit. Durch die Wahl der Methoden lassen sich etwa über fachliche Kompetenzen gezielt fördern, beispielsweise Eigenständigkeit, Teamfähigkeit etc. Innerhalb einer Unterrichtsstunde können auch wechselnde Methoden zum Einsatz kommen, Stichwort „Methodenvielfalt“. Auf der dritten Ebene finden wir die Sozialformen. Sie beschreiben die Gestaltung der sozialen Interaktion innerhalb des Unterrichts, zum Beispiel Gruppenarbeit, Partnerarbeit oder Einzelarbeit.
00:16:39:13 - 00:17:40:04
Jula Henke
Stichwort „Methodenvielfalt“. Forschungsergebnisse zeigen, dass Methodenvielfalt besser ist als die Beschränkung auf einzelne Methoden. Keine Methode ist per se besser und die Vielfalt und der passende Einsatz sind entscheidend! Aber was bedeutet das für Sie als Lehrkraft? Sie sollten ein umfassendes Repertoire an verschiedenen Methoden beherrschen, die Sie – je nach Kontext und Ziel – flexibel anwenden und kombinieren. Dazu gehört auch, dass Sie die Potenziale und Grenzen der einzelnen Methoden kennen und bezogen auf Ihren eigenen Unterricht reflektieren.
Es gibt viele praxisorientierte Bücher zu Unterrichtsmethoden, auf die Sie zurück greifen können, um Ihr Wissen zu vertiefen und praxisnahe Beispiele mit Anwendungstipps für Ihren Unterricht zu erhalten. Konkrete Literaturangaben finden Sie im Text, auf dem dieses Video basiert. Dort finden Sie übrigens auch ein Glossar zu den zentralen Begriffen aus diesem Video.
00:17:40:04 - 00:19:30:21
Jöran Muuß-Merholz
Organisationsformen, Methoden und Sozialformen bilden den Rahmen für Lernprozesse und sind damit bedeutende Faktoren für die Gestaltung lernwirksamen Unterrichts. Dieses Video basiert auf Band 1 der mehrteiligen Publikationsreihe „Wirksamer Unterricht“ des Instituts für Bildungsanalysen Baden-Württemberg. Und diese Reihe widmet sich nicht den Sichtstrukturen, sondern den Tiefenstrukturen von Unterricht. Die Unterrichtsforschung geht heute davon aus, dass vor allem die Tiefenstrukturen für die Qualität und den fachlichen Ertrag von Unterricht bedeutend sind.
Sie haben den entscheidenden Einfluss auf die Lernerfolge als die Sichtstrukturen. Zu den Tiefenstrukturen von Unterricht gehören Merkmale der Lehr-Lern-Prozesse, die nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Um noch einmal auf die Eisberg-Metapher zurückzukommen: Hier handelt es sich um die unter der Wasseroberfläche verborgen, aber gewichtigen und tragenden Inhalte. Tiefenstrukturen zielen auf die Qualität der Interaktion der Lernenden mit dem Lernstoff und die Qualität der Interaktion zwischen den Beteiligten.
Schafft es die Lehrkraft, dass die Schülerinnen und Schüler aktiv über den Lernstoff nachdenken und ihn bearbeiten? Wie ist der Umgang miteinander in der Klasse? Ist es durch eine gute Klassenführung der Lehrkraft, allen Schülerinnen und Schülern möglich, sich auf den Unterrichtsgegenstand zu konzentrieren? Unterstützt die Lehrkraft die Lernenden konstruktiv beim Lernen und hilft sie ihnen dabei, aus Fehlern zu lernen? Diese Fragen verdeutlichen, um was es bei den Tiefenstrukturen von Unterricht geht.
00:19:31:24 - 00:19:53:14
Jula Henke
Kurz und knapp: Eine Anmerkung zum Verhältnis von Sicht- und Tiefenstrukturen. Innerhalb der gleichen Sichtstruktur, beispielsweise bei der Anwendung der gleichen Methode (wie Projektarbeit) oder der gleichen Sozialformen (wie Gruppenarbeit) können sehr unterschiedliche Lehr-Lern-Prozesse stattfinden. Warum ist das so? Es liegt an den Tiefenstrukturen.
00:19:54:22 - 00:25:17:03
Jöran Muuß-Merholz
Schauen wir genauer auf die Tiefenstrukturen. Man kann Tiefenstrukturen in drei Basisdimensionen ordnen und Handlungsempfehlungen für Lehrkräfte ableiten. Zentral ist, dass wirksamer Unterricht nicht nur an einer Dimension festgemacht werden kann, sondern es vielmehr auf das erfolgreiche Zusammenspiel – auch mit den Sichtstrukturen – ankommt. Das Stichwort lautet „Orchestrierung“. Wichtig ist außerdem, dass die drei Basisdimension in unterschiedlichen Strukturen Beachtung finden können, zum Beispiel im Rahmen verschiedener Methoden.
Die drei Basisdimensionen lauten: Klassenführung (auch Classroom Management genannt), Potential zur kognitiven Aktivierung und konstruktive Unterstützung. Schauen wir auf die erste Dimension, die Klassenführung. Hier geht es um die Frage: Wie gut gelingt es, den Unterricht so zu steuern, dass die Schülerinnen und Schüler die Ziele des Unterrichts verstehen, möglichst wenige Störungen auftreten, alle beim Lernen beteiligt sind und Unterrichtszeit somit effektiv genutzt werden kann?
Beispiele für Themen der Klassenführung sind erstens klare Kommunikation von Bildungszielen. Zweitens: Frühe Einführung und Begründung von Regeln und Routinen. Drittens: Konsequenter Umgang mit Störungen. Viertens: Gut geplante Bereitschaft von Unterrichtsmaterial. Befunde aus der empirischen Forschung zum Thema Klassenführung zeigen. Ein gut organisierter und strukturierter Unterricht kann positive Effekte auf die Motivation der Schülerinnen und Schüler haben. Die Erhöhung der effektiven Lernzeit.
Wir sprechen von der sogenannten „time on task“ – ist ein wichtiger Prädiktor für die Leistungsentwicklung von Schülerinnen und Schülern. Die zweite Dimension ist das Potenzial zur kognitiven Aktivierung. Dahinter steht die Frage: Zu welchem Grad werden die Lernenden angeregt, sich aktiv und engagiert mit dem Lernstoff auseinanderzusetzen und sich dabei vertieft mit den Inhalten zu beschäftigen? Auch hier einige Beispiele. Es geht um ... Erstens: Aufgaben, die an Vorwissen anknüpfen.
Zweitens: Diskurs, der Meinungen der Schüler aufgreift. Drittens: Inhalte, die kognitive Konflikte auslösen. Viertens: Interessante, relevante Fragestellung. Und fünftens: Aufgaben, die attraktiv erscheinen und zum Denken herausfordern. Die empirische Forschung sagt: Das Potenzial zur kognitiven Aktivierung ist ein wesentlicher Faktor für den Lernerfolg von Lernenden. Die dritte Dimension ist die der konstruktiven Unterstützung. Sie fragt: Auf welche Weise hilft die Lehrkraft den Lernenden, wenn Verständnisprobleme auftreten?
Und wie sehr ist die Interaktion zwischen Lehrkräften und Lernenden durch Wertschätzung und Respekt geprägt? Auch hier folgen wieder einige Beispiele in Stichworten. Erstens: Konstruktiver Umgang mit Fehlern. Zweitens: Geduld und angemessenes Tempo. Drittens: Freundliche, respektvolle Beziehungen. Viertens: Informative Feedback. Und fünftens: Scaling, also adaptive Hilfestellung, damit alle die Lernziele erreichen können. Wir wissen aus der Forschung zur konstruktiven Unterstützung, dass gelungenes Feedback ein zentraler Faktor für erfolgreiches Lernen ist.
Eine positive Schüler-Lehrer-Beziehung sowie ein wertschätzender Umgang zwischen allen am Lernprozess beteiligten Personen sind förderlich für die psychosoziale Entwicklung, für die Motivation und für das Selbstkonzept. Zudem ist sie ein wichtiger positiver Prädiktor für Selbstvertrauen und das Interesse am Unterricht.
Soweit ein Überblick über die drei Dimensionen. Welche Hinweise lassen sich hieraus für die konkrete Unterrichtsgestaltung ziehen? Antworten auf diese Frage finden Sie in der Publikationsreihe „Wirksamer Unterricht“ des Instituts für Bildungsanalysen Baden-Württemberg, kurz IBBW. Die Reihe zeigt, wie kognitiv anregender und aktivierend konstruktiv unterstützender Unterricht gestaltet werden kann. Basierend auf zentralen Erkenntnissen aus der Unterrichtsforschung bietet die Reihe praktische Umsetzungshilfen und liefert konkrete Ideen für die Unterrichtsgestaltung.
Weitere Einzelaspekte wirksamen Unterrichts werden Zug um Zug aufbereitet. Die IBBW-Reihe „Wirksamer Unterricht“ umfasst bisher die folgenden Bände: Band 1 – Grundlagen für einen wirksamen Unterricht. Die Inhalte zu Band 1 kennen Sie schon, weil dieses Video hier darauf basiert. Band 2 – Kognitive Aktivierung im Unterricht. Band 3 – Konstruktive Unterstützung im Unterricht. Band 4 – Kooperatives Lernen im Unterricht. Band 5 – Informatives Feedback im Unterricht. Band 6 – Aufgaben im Fachunterricht. Band 7 – Umgang mit Fehlern im Unterricht. Band 8 – Sprachsensibler Fachunterricht. Weitere Bände werden folgen. Alle Bände gibt es zum freien Download auf der Website des IBBW.
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Jula Henke
Noch ein weiterer Tipp betrifft den Unterrichtsfeedbackbogen Tiefenstrukturen, um Beobachtung und Reflexion von Unterrichtsqualität in der Praxis zu unterstützen, wurde am IBBW der „Unterrichtsfeedbackbogen Tiefenstrukturen“ (kurz: UFB) entwickelt. Mit Hilfe des Bogens kann Unterricht entlang der drei Basisdimensionen von Unterrichtsqualität – also kognitive Aktivierung, konstruktive Unterstützung und strukturierte Klassenführung – eingeschätzt werden. Der Bogen wird durch ein begleitendes Beobachtungsmanual ergänzt. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. So kann der UFB für die individuelle Selbstreflexion zur Unterrichtsvorbereitung, für die kollegiale Hospitation und in Beratungskontexten der Aus- und Fortbildung in allen Phasen der Lehrkräftebildung eingesetzt werden. Weitere Informationen sowie der UFB sind frei im Netz verfügbar.
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Jöran Muuß-Merholz
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg, wenn Sie das Thema wirksamer Unterricht mit den Bänden der IBBW-Reihe vertiefen.
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Jula Henke
Und natürlich bei der Anwendung des Gelernten bei Ihrer praktischen Arbeit.
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Die Kapitel des Videos im Überblick:
- Das Wichtigste in Kürze
- Lernwirksamer Unterricht – worauf kommt es an?
- Unterricht als komplexes Angebot
- Wirksamen Unterricht gestalten
- Sicht- und Tiefenstrukturen von Unterricht
- Sichtstrukturen von Unterricht
- Tiefenstrukturen von Unterricht
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Tipp!
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Expand Collapse Hinweis: Zur Geschichte dieses Videos
Dieses Video basiert auf der Publikation von Ulrich Trautwein, Anne Sliwka und Alexandra Dehmel: Grundlagen für einen wirksamen Unterricht. Herausgegeben vom Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW) als Band 1 der IBBW-Publikationsreihe „Wirksamer Unterricht“. Erschienen in Stuttgart in der 2., aktualisierten Auflage 2022 (1. Auflage: 2018).
Die Autorinnen, der Autor und die Herausgeber der Publikation haben ihr Einverständnis für dieses Video erklärt, vielen Dank dafür! Sie tragen keine Verantwortung für das Video, das von der Agentur J&K erstellt wurde.
Für die Video-Version wurden Sprache und Aufbau angepasst sowie Abbildungen neu erstellt. Für Belege wird auf die schriftliche Publikation verwiesen.
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Vertiefungen zum lernwirksamen Unterricht
In der Publikationsreihe „Wirksamer Unterricht“ des Instituts für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW) sind (Stand März 2023) acht Bände erschienen. Sie zeigen, wie kognitiv anregender und aktivierender, konstruktiv unterstützender Unterricht gestaltet werden kann. Basierend auf zentralen Erkenntnissen aus der Unterrichtsforschung bietet die Reihe praktische Umsetzungshilfen und liefert konkrete Ideen für die Unterrichtsgestaltung. Die IBBW-Reihe „Wirksamer Unterricht“ umfasst bisher die folgenden Bände:
- Band 1: Grundlagen für einen wirksamen Unterricht – die Inhalte zu Band 1 kennen Sie schon, weil dieses Video hier darauf basiert.
- Band 2: Kognitive Aktivierung im Unterricht
- Band 3: Konstruktive Unterstützung im Unterricht
- Band 4: Kooperatives Lernen im Unterricht
- Band 5: Formatives Feedback im Unterricht
- Band 6: Aufgaben im Fachunterricht
- Band 7: Umgang mit Fehlern im Unterricht
- Band 8: Sprachsensibler Fachunterricht
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