• Grundlagen zu Lernen durch Lehren (LdL)

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      Definition

      „Wenn Schüler einen Lernstoffabschnitt selbständig erschließen und ihren Mitschülern vorstellen, wenn sie ferner prüfen, ob die Informationen wirklich angekommen sind und wenn sie schließlich durch geeignete Übungen dafür sorgen, dass der Stoff verinnerlicht wird, dann entspricht dies idealtypisch der Methode Lernen durch Lehren (LdL).“
      Jean-Pol Martin, Begründer von Lernen durch Lehren

      Jean-Pol Martin
      Foto Jean-Pol Martin von Raupenfrau via Wikipedia | Lizenz CC BY-SA 4.0

      Lernen durch Lehren ist eine handlungsorientierte, konstruktivistische Unterrichtsmethode, bei der Schülerinnen und Schüler lernen, indem sie sich den Stoff gegenseitig vermitteln. Es kann in allen Fächern, Schultypen und Altersstufen eingesetzt werden. Begründer des Konzeptes Lernen durch Lehren ist Jean-Pol Martin, der von 1981 bis 2018 das Verfahren zu einem pädagogischen Gesamtkonzept entwickelte und mit Hilfe eines Kontaktnetzes verbreitete.

      LdL bezieht sich grundsätzlich auf Verfahren, bei denen Schülerinnen und Schüler ihre Mitschülerinnen und Mitschülern arbeitsteilig im Klassenverband unterrichten. Infolge der Verbreitung der Methode wurde der Terminus „Lernen durch Lehren“ auf andere Unterrichtssettings ausgedehnt, beispielsweise auf Techniken, bei denen ältere Lernende Jüngere unterrichten (Tutorensystem). Da für solche Verfahren andere theoretische Begründungen gelten als für LdL, werden sie im folgenden Kurs nicht behandelt.


    • Das Menschenbild als Grundlage von LdL

      Lernen durch Lehren. Ein Einstieg von Isabelle Schuhladen

      Video Lernen durch Lehren. Ein Einstieg von Isabelle Schuhladen stammt aus dem Video Lernen durch Lehren. Ein Impuls von Isabelle Schuhladen von Isabelle Schuhladen und Agentur J&K – Jöran und Konsorten im Auftrag des Gemeinnützigen Instituts für Berufsbildung (IFB) | Lizenz CC BY 4.0 | Bearbeitung: Kürzung und Aufteilung auf mehrere Videos; neuer Vor- und Abspann
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      Ich möchte mit einer Geschichte beginnen. Vor 8 Jahren erlebte ich was Großartiges in meiner Französisch-Klasse, einer achten Klasse: Zwei Schüler hielten die Stunde. Im Ablauf hat mich was gestört, deshalb wollte ich eine typische Lehrer-Frage stellen. Der eine Schüler sah mich an und sagte: “Frau Schuhladen, heute sind wir dran!” Das war ein Schock für mich. Große Stille in der Klasse.

      00:00:29:09 - 00:01:01:01

      Das war tatsächlich eine großartige Erkenntnis für mich: Schenke den Schüler*innen dein Vertrauen, stelle ehrliche Fragen, sie regeln die Unsicherheiten selbst. Diese ehrliche Äußerung des Schülers war für meine Entwicklung wertvoll. Im Lernen durch Lehren-Modus bin ich nicht die “traditionelle” Lehrkraft: Ich bin auch Lernende, begleite meine Schülerinnen und Schüler in ihrem Lernprozess beziehungsweise wir unterstützen uns gegenseitig auf unserem Lernweg.

      00:01:01:20 - 00:01:33:11

      Das ist für mich die Definition von „Lernen durch Lehren“: Es geht um ein neues Rollenverständnis für Lernende und Lehrende. Das Unterrichten von Peer zu Peer steht im Mittelpunkt und wird von mir als Lehrkraft begleitet und strukturiert. Ich werde „Lernen durch Lehren“ in diesem Video übrigens immer mit „LdL“ abkürzen.

    • Lernen durch Lehren liegt ein bestimmtes Menschenbild zugrunde. Es geht davon aus, dass der Mensch aktiv, selbstbestimmt und kreativ ist und sich sein Wissen durch eigenes Handeln und durch das Sammeln von Erfahrungen aneignet. Es geht von einem konstruktivistischen Menschenbild aus. Lernen wird dabei als aktiver und persönlicher Prozess verstanden, der durch Interaktionen und Austausch mit anderen unterstützt und gefördert wird. Schülerinnen und Schüler werden als selbstorganisierende, lernende und sich ständig entwickelnde Menschen betrachtet.

      Bei Lernen durch Lehren wird davon ausgegangen, dass sich die Schülerinnen und Schüler Wissen am besten aneignen können, wenn sie aktiv in den Lernprozess einbezogen werden und selbstständig lernen und arbeiten können. Dabei wird davon ausgegangen, dass Lernen ein aktiver Prozess ist, der auf Erfahrungen und Erkenntnissen basiert und somit sehr individuell und subjektiv ist.

      Des Weiteren geht es davon aus, dass jeder Mensch Bedürfnisse hat (vgl. Wikipedia: Maslowsche Bedürfnishierarchie) und dass Lernen am besten funktioniert, wenn es auf den individuellen Bedürfnissen und Interessen der Lernenden basiert und diese berücksichtigt. Das bedeutet, dass der Lernprozess auf die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler abgestimmt sein sollte, um ein erfolgreiches Lernen zu ermöglichen.

      Die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler können dabei sehr verschieden sein und reichen von grundlegenden Bedürfnissen wie Sicherheit und Geborgenheit bis hin zu höheren Bedürfnissen wie Selbstverwirklichung und Anerkennung. Lernen durch Lehren geht somit davon aus, dass es wichtig ist, diese individuellen Bedürfnisse in den Lernprozess zu integrieren und die Schülerinnen und Schüler in ihrer persönlichen Entwicklung zu fördern.

      Isabell Schuhladen bezieht die Bedürfnisse wie folgt auf LdL: 

      • Sicherheit im Unterricht: Die Schülerinnen und Schüler fühlen sich im Unterricht sicher und wohl.
      • Soziale Beziehungen: Schülerinnen und Schüler arbeiten und leben in einer Gemeinschaft, jede Person wird als wertvoller und hilfreicher Teil der Gemeinschaft verstanden.
      • Soziale Anerkennung: Feedback und Lob sind wichtig. Jede Person hat Stärken und Talente und diese werden wahrgenommen.
      • Bedürfnis nach Sinn: Schülerinnen und Schüler haben ihren Lernprozess im Griff und bekommen dafür Anerkennung. 
      • Selbstverwirklichung: Schülerinnen und Schüler entwickeln und entfalten ihre individuellen Fähigkeiten und Interessen und verfolgen ihre persönlichen Ziele.


    • Die Maslowsche Bedürfnishierarchie

      Sortieren Sie die Bedürfnisse an die richtige Position der Pyramide.

      H5P Aufgabe Die Maslowsche Bedürfnishierarchie von Agentur J&K – Jöran und Konsorten im Auftrag des Niedersächsischen Landesinstituts für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ Hildesheim) | Lizenz CC BY 4.0

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      Hintergrundtexte

      Jean-Pol Martin erklärt in Wikiversity „Die Grundbedürfnisse des Menschen“ und in seinem Text „Neue Menschenrechte. Artikel 1 (das Recht auf Denken)“ das LdL zugrunde liegende Menschenbild ausführlich.


    • Veränderung der Rolle der Lehrkraft

      Die Rolle der Lehrkraft bei LdL: Beratung, Lernbegleitung, Unterstützung, Coach
      Grafik Die Rolle der Lehrkraft bei LdL von Agentur J&K – Jöran und Konsorten im Auftrag des Niedersächsischen Landesinstituts für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ Hildesheim) | Lizenz CC BY 4.0

      Die Rolle der Lehrkraft verändert sich bei LdL grundlegend. Von der allwissenden Lehrkraft, die vor allem die Wissensvermittlung im Blick hat, hin zu einer Lernbegleitung und einem Lerncoach.

      Dadurch wird das traditionelle Autoritätsverhältnis zu einer kooperativen und partizipativen Lernumgebung transformiert, in der die Schülerinnen und Schüler aktiv ihren eigenen Lernprozess mitgestalten und die Lehrkraft als Coach fungiert.

      Die Lehrkraft unterstützt den Lernprozess und begleitet die Schülerinnen und Schüler aktiv beim Lernen. Sie stellt Materialien und Ressourcen zur Verfügung und gibt den Lernenden Anregungen und Hilfestellungen, damit die Lernenden ihr Wissen vertiefen und ihr Verständnis verbessern können. Darüber hinaus gibt sie Hilfestellung bei der Didaktisierung des Gelernten, damit die Schülerinnen und Schüler ihr Wissen aufbereiten und an die Klasse weitergeben können.

      Außerdem hilft die Lehrkraft den Schülerinnen und Schülern dabei, ihre eigenen Lernprozesse zu reflektieren und zu verbessern. Sie unterstützt die Lernenden dabei, ihre Ziele und Interessen zu identifizieren und ihren Lernfortschritt zu überwachen. Durch Feedback und Anleitung fördert sie die Entwicklung von Problemlösungsfähigkeiten und kritischen Denkweisen.


    • Veränderung der Rolle und des Lernens der Schülerinnen und Schüler

      SuS bei LdL: sozial, verantwortungsvoll, kreativ, teamorientiert, motiviert, handlungsorientiert, aktiv, selbstständig
      Grafik Wie Schülerinnen und Schüler bei LdL lernen von Agentur J&K – Jöran und Konsorten im Auftrag des Niedersächsischen Landesinstituts für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ Hildesheim) | Lizenz CC BY 4.0

      Auch die Rolle der Schülerinnen und Schüler sowie die Art des Lernens ändern sich beim Lernen durch Lehren. Die Lernenden gestalten ihren eigenen Lernprozess aktiv mit und werden von rein passiven Rezipienten von Wissen zu aktiven Teilhabenden im Unterricht.

      Durch das Aufbereiten und Vermitteln von Wissen an ihre Mitschülerinnen und Mitschülern verinnerlichen sie das Gelernte, lernen die Fähigkeit, Wissen zu vermitteln und zu erklären und übernehmen so eine aktive Rolle im Unterricht. Sie entwickeln darüber hinaus Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Kommunikation und Kreativität.

      Durch die aktive Rolle beim Lernprozess wird das Verantwortungsbewusstsein der Schülerinnen und Schüler gestärkt, da sie auch Verantwortung für den Lernfortschritt ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler tragen.

      Die Schülerinnen und Schüler werden somit zu eigenständigen Lernenden, die lernen, wie man lernt. Sie werden ermutigt, Fragen zu stellen, ihre Meinungen auszudrücken und aktiv am Lernprozess teilzunehmen. Dabei werden sie auch in ihrer sozialen und kommunikativen Kompetenz gefördert, da sie im Austausch mit anderen Schülerinnen und Schülern ihre Argumente und Meinungen diskutieren und reflektieren.