Sachanalyse

Wissenschaftliche Studien belegen, dass Gewaltdarstellungen das Vergnügen beim Ansehen eines Filmes zwar schmälern, aber wichtige Aspekte wie Spannung, Mitleid oder Identifikation verstärken. Deshalb werden Gewaltdarstellungen als Stilmittel an Spannungshöhepunkten in Filmen und Serien häufig eingesetzt. Gewaltdarstellungen werden also gezielt genutzt, um unsere Aufmerksamkeit zu steuern.

Insbesondere auf Jugendliche strahlen Gewaltdarstellungen in unterschiedlichen Medienformaten eine Faszination aus. Sie werden von Neugierde und dem Wunsch nach Unterhaltung getrieben; das Außergewöhnliche oder Verbotene erscheint besonders reizvoll. Zudem neigen Jugendliche in der Pubertät zu risikoreichem Verhalten. Man spricht deshalb auch von sensation seeking, der Bereitschaft, neue komplexe und intensive Eindrücke zu suchen und hierfür Risiken in Kauf zu nehmen oder Gefahren auszublenden. Eine wichtige Rolle in Bezug auf den Konsum von Gewaltdarstellungen spielt auch die Peergroup. Es ist für Jugendliche wichtig, mitreden zu können und dazuzugehören. Außerdem kann das gemeinsame Ansehen von (drastischen) Gewaltdarstellungen zum Gemeinschaftserlebnis werden, indem emotionale Grenzerfahrungen gemeinsam durchstanden werden. Rezipiert wird mediale Gewalt von Jugendlichen in Filmen und Serien, aber auch im Internet. Die dort verfügbaren Gewaltdarstellungen unterscheiden sich aus der Sicht von Jugendlichen in Qualität und Intensität von den im Fernsehen verfügbaren. Gewalt im Internet wird als extremer wahrgenommen. Da Jugendliche heute bereits früh über ein eigenes Smartphone, einen Computer oder Fernseher verfügen, entzieht sich der elterlichen Kontrolle mitunter, was sie online konsumieren. So kann es sein, dass Jugendliche bereits früh mit extremen Inhalten in Kontakt kommen.

Wirkung von Gewaltdarstellungen auf Kinder und Jugendliche

Während es keine Belege dafür gibt, dass der Konsum gewalthaltiger Medien Jugendliche gewalttätig macht, kann sich der Konsum von Gewaltdarstellungen negativ auf Kinder auswirken. Sind sie in einer frühkindlichen Entwicklungsphase häufig Gewaltdarstellungen ausgesetzt, entwickeln sie sich eher antisozial (Missachten von sozialen Normen, rücksichtsloses Durchsetzen der eigenen Ziele) und sind emotional belastet (oft traurig, nur wenig begeisterungsfähig). Häufiger als andere zeigen sie Verhaltensweisen wie einen Mangel an Reue, Lügen, Gleichgültigkeit gegenüber den Gefühlen anderer oder Manipulation. Außerdem können sie eine verzerrte Wahrnehmung von Gewalt im wirklichen Leben entwickeln: Es kann der Eindruck entstehen, dass die Welt ein übermäßig gefährlicher Ort voll böswilliger Menschen ist. So werden z. B. zweideutige Gesten eher als feindselig interpretiert. Für Kinder und Jugendliche sind Darstellungen extremer realer Gewalt nur schwer zu bewältigen. Sie berichten von Gefühlen wie Ekel, Angst oder Schock, die das Ansehen der Gewaltdarstellungen begleiteten. Auch Alpträume können daraus hervorgehen. Je näher die abgebildete Gewalt an der eigenen Lebensrealität ist, desto schwerer ist sie für Kinder und Jugendliche zu verarbeiten. Darüber hinaus kann ein vermehrter Konsum von Mediengewalt sie abstumpfen lassen, sodass gewalttätiges Verhalten eher als normal eingestuft wird. Wenn Kinder und Jugendliche ohnehin zur Anwendung von Gewalt neigen, können auch gewalttätige Verhaltensmuster übernommen werden.

Altersfreigaben und FSK

Kinder und Jugendliche sollten keinen unbeschränkten Zugriff auf Medien in Fernsehen und Internet haben. Die Aufsicht liegt in der Verantwortung der Eltern. Filme und Serien sind in der Regel mit einer Altersfreigabe der FSK versehen, an der sich die Erziehungsberechtigten orientieren können. Die FSK prüft, dass die Medien keine Inhalte enthalten, die Kinder in ihrer Entwicklung beeinträchtigen, z. B., indem sie sie zu sehr emotional belasten.

Alle Filme und Serien, die in deutschen Medien ausgestrahlt werden, müssen von der FSK geprüft werden, um eine Jugendfreigabe zu erhalten. Anbieter wie Kinos, Fernsehsender oder Streamingdienste sind grundsätzlich verpflichtet zu gewährleisten, dass ihre Angebote nur von Personen der freigegebenen Altersstufe genutzt werden können. Dies kann z. B. durch eine Alterskontrolle mit Ausweisdokumenten, das Abfragen einer Kreditkarte oder die zeitliche Beschränkung der Ausstrahlung geschehen. Diese Jugendschutzregelungen betreffen allerdings nur Anbieter mit Sitz in Deutschland. Streamingdienste wie Amazon oder Netflix mit Sitz im Ausland sind davon ausgenommen. Die beiden bekanntesten Streamingplattformen treffen jedoch eigene Jugendschutzmaßnahmen. So kann man auf Netflix Kinderprofile einrichten, in denen nur Filme und Serien mit zuvor festgelegten Altersfreigaben angesehen werden können. Auf Amazon Prime Video lässt sich einrichten, dass für das Ansehen von Medien mit Altersbeschränkung eine PIN abgefragt wird. Zu bemerken ist, dass die Altersfreigaben von Streaminganbietern nicht immer den Empfehlungen der FSK entsprechen. Gibt es FSK-Empfehlungen, werden diese in der Regel übernommen. Eigenproduktionen der Streaminganbieter werden allerdings häufig von diesen selbst geprüft und eingestuft.

True Crime-Formate

True Crime-Formate, also Filme und Serien, die reale Verbrechen in oftmals fiktive Storys eingebettet nacherzählen, haben in den letzten zehn Jahren einen Aufschwung erfahren. Besonders beliebt sind sie bei jungen, formal hoch gebildeten Frauen. Zum einen befriedigen True Crime-Serien eine Sehnsucht nach Echtheit und Authentizität. Zum andern fasziniert aber auch das Abgründige und das Unerwartete die Zuschauerinnen und Zuschauer. Ein weiterer Grund für die Beliebtheit von True Crime-Formaten ist die multimodale Herangehensweise, auf die diese rezipiert werden können: Die Serien lassen sich nicht bloß anschauen; es ist auch möglich, währenddessen mitzurätseln und darüber hinaus zu ihrem Vorbild in der realen Welt zu recherchieren. Da True Crime-Formate große Beliebtheit erfahren, herrscht auf dem Serienmarkt ein hoher Konkurrenzdruck. Dieser befördert, dass besonders extreme Darstellungen gewählt werden, um Aufmerksamkeit zu erregen.

Trotz aller Beliebtheit stehen True Crime-Serien auch in der Kritik: Während die Täterin oder der Täter im Fokus steht, bekommen die Opfer meist nur wenig Aufmerksamkeit. Darüber hinaus können die Serien bei Opfern oder deren Angehörigen alte Traumata wieder aufleben lassen. Ihre Gefühle werden von den Produktionsfirmen häufig nicht berücksichtigt. Außerdem sind dramaturgische Veränderungen, also Abweichungen vom realen Geschehen, in True Crime-Formaten häufig nicht erkennbar.

Eine Thematisierung von True Crime-Formaten im Unterricht bietet sich in der Sekundarstufe II an. Hier ist es mitunter möglich, Ausschnitte aus Serien oder Podcasts zu analysieren und die moralisch-ethische Konflikte zu untersuchen, die sich hinter dem beliebten Unterhaltungsformat verbergen.

Didaktisch-methodische Analyse

Den Unterrichtseinstieg können Lehrkräfte dazu nutzen, die Erfahrungen ihrer Schülerinnen und Schüler mit Mediengewalt zu erkunden. Wurde Modul 1 zuvor bearbeitet, ist bereits bekannt, welche Serien die Schülerinnen und Schüler bereits kennen. Hieran kann angeknüpft werden: Welche der ihnen bekannten Serien enthalten Gewalt? Welche Gefühle begleiten das Ansehen von Gewaltdarstellungen? Schauen sie manchmal Filme/Serien, die nicht für ihre Altersgruppe vorgesehen sind? Der Einstieg kann z. B. auch über einen Bildimpuls erfolgen, in dem die Lehrkraft ein Bild von Jugendlichen vor dem Fernseher zeigt, die verängstigt schauen.

Mithilfe der Materialien zu Teil A kann untersucht werden, wie Gewalt in Filmen und Serien auftreten kann und wie sie auf das Publikum wirkt. Eine Standbildanalyse (interaktive Übung) sowie eine Videoanalyse (Arbeitsblatt, Kampfszene aus der Serie Boruto: Naruto Next Generations) öffnen den Blick der Lernenden für die gestalterischen Mittel, die in Filmen und Serien eingesetzt werden, um Gewalt darzustellen, Rollen zuzuweisen und Spannung zu erzeugen. Vertiefend könnte die Netflix-Methode eingesetzt werden. Die Schülerinnen und Schüler könnten ihnen bekannte Serien mit Gewaltszenarien neu denken, sodass Probleme gewaltfrei gelöst werden (Wie könnte z.B. ein Avengers-Film ohne Gewalt aussehen? Was wären dann die neuen Superkräfte der Helden?).

Teil B thematisiert, wie Gewalt in Medien gerechtfertigt wird. Die Lernenden befassen sich mit der Frage, wie Helden und Schurken in Filmen und Serien dargestellt werden und wie die Gewaltausübung von Heldenfiguren legitimiert wird. Ergänzend zu den vorhandenen Aufgaben kann eine spielerische Heranführung an Helden- und Schurkendarstellungen in Form eines Bingos durchgeführt werden. Die Lehrkraft zeigt ein Bild von einer Schurkin oder einem Schurken/einer Heldin oder einem Helden. Die Schülerinnen und Schüler markieren in einem Raster mit Eigenschaften und Darstellungsmerkmalen, was auf die jeweiligen Figuren zutrifft. So werden Stereotype besonders deutlich.

Teil C regt die Schülerinnen und Schüler zu einer Selbstreflexion zum Thema Gewaltdarstellungen an. Sie reflektieren, welche Medieninhalte ihnen bedrohlich und angsteinflößend erscheinen und wie sie mit diesen umgehen, wenn sie ihnen begegnen. Eine alternative Umsetzung zur Reflexion von Mediengewalt in Einzel- bzw. Paararbeit ist ein Gewaltbarometer. Während die Lehrkraft verschiedene Szenarien vorliest, positionieren sich die Lernenden ihrer Einschätzung nach im Raum – von „Ist für mich völlig in Ordnung.“ bis hin zu „Macht mir große Angst.“ In einer offenen, diskussionsbereiten Klasse können die Positionierungen der Schülerinnen und Schüler hinterfragt werden. Die Äußerungen der Lernenden werden jedoch nicht kommentiert – für jede Meinung soll Raum sein. In der Klassengemeinschaft werden anschließen Strategien zum Schutz vor Gewaltdarstellungen in den Medien reflektiert und Klassenregeln vereinbart. Diese können z. B. lauten: „Ich verschicke keine gewalthaltigen Medien ohne Vorwarnung.“ oder „Ich respektiere, wenn sich jemand ein Video/einen Film nicht anschauen möchte.“ Je nachdem, wie aktiv die Schülerinnen und Schüler bereits in den sozialen Netzwerken sind, ist es sinnvoll, in einem Unterrichtsgespräch auch auf das Teilen von extremen Medieninhalten über Social Media einzugehen. Darüber hinaus befassen sich die Lernenden mit der Sinnhaftigkeit von Altersbeschränkungen für Filme und Serien.

Leitfaden für ein Unterrichtsgespräch

In diesem Unterrichtsmodul bringen die Lernenden viele eigene Erfahrungen, Gedanken und Gefühle ein. In einem Unterrichtsgespräch kann ein gemeinsamer Austausch darüber stattfinden und den Gedanken der Lernenden Raum gegeben werden. Ein gutes Unterrichtsgespräch zeichnet sich dadurch aus, dass die Lehrkraft den Schülerinnen und Schülern vermittelt, dass möglichst viele Ideen und Gedanken zu einem Thema ausgetauscht werden sollen. Sie selbst nimmt sich dabei weitestgehend zurück – im Zentrum stehen die Äußerungen der Schülerinnen und Schüler. Dazu gehört auch, dass diese ermutigt werden, ihren Mitschülerinnen und Mitschülern Rückfragen zu stellen und miteinander ins Gespräch zu kommen.

Im Vorhinein sollten wichtige Gesprächsregeln besprochen werden (z. B. ausreden lassen, keine Privatgespräche führen, niemand muss etwas erzählen, etc.). Anschließend gibt die Lehrkraft das Thema des Unterrichtsgesprächs bekannt. Zum Eindenken in das Thema und dem Abbau von Hemmungen kann es hilfreich sein, eine Murmelphase in Paararbeit (Arbeit zu zweit mit einer Partnerin oder einem Partner) vor das Klassengespräch vorzuschalten. Aus einem anschließenden Unterrichtsgespräch kann sich die Lehrkraft zurückziehen, indem z. B. eine Meldekette initiiert wird, und Notizen anfertigen. Ihre Aufgabe besteht in der Überleitung in weitere Phasen des Gespräches sowie dem Resümieren, Strukturieren und Kategorisieren von Äußerungen der Lernenden. Hilfreich kann es beispielsweise sein, nach jeder Gesprächsphase die Beiträge der Lernenden ohne eine Bewertung zusammenzufassen. Gemeinsam mit der Lerngruppe kann anschließend überlegt werden, welche Ergebnisse gesichert werden sollten.

Mögliche Ansatzpunkte für ein Unterrichtsgespräch können in allen drei Abschnitten des Moduls gefunden werden. Thematisiert werden könnten:

  • Erfahrungen der Jugendlichen mit Mediengewalt
  • die Wirkung von Gewalt auf Zuschauerinnen und Zuschauer
  • Rollenzuschreibungen und Vorbildfunktionen von Identifikationsfiguren in Filmen/Serien
  • Regeln für den Umgang mit Mediengewalt in der Klassengemeinschaft