Kindheit ist ein Prozess, der sich mit der Zeit und dem Geschehen der Welt in einer Dynamik bewegt. Dadurch kann Kindheit nicht einheitlich definiert, sondern muss immer mit den aktuellen Entwicklungen gesehen werden. So ist es, dass die heutige Kindheit nicht mit der Kindheit von vor zwanzig oder dreißig Jahren zu vergleichen ist. In Astrid Lindgrens Büchern „Kinder von Bullerbü“ oder „Das entschwundene Land“ ist eine Kindheit abgebildet, die von Freiheit und Ausgelassenheit geprägt ist.
So schreibt Lindgren „Ich kann mich nicht erinnern, dass unsere Mütter uns je Vorwürfe gemacht hätte, wenn wir mit zerrissenen oder beschmutzten Kleidern nach Hause kamen. Wahrscheinlich hielt sie solche Pannen, die im Eifer des Spiels passieren konnten, für das gute Recht eines Kindes“ (Lindgren). Außerdem beantwortet Sie die Frage: „Warum es so schön war, dort Kind zu sein? Zweierlei hatten wir, das unsere Kindheit zu dem gemacht, was sie gewesen ist – Geborgenheit und Freiheit“. Nur warum kommt es heutzutage zum Verlust dieser Freiheit? Silke Schönrade beantwortet dies damit, dass sich die Kinder zwischen anderen Polaritäten bewegen als noch vor einigen Jahren. Heute seien es vor allem: Mensch und Technik, Wissen und Moral und Individualisierung und Globalisierung (vgl. Silke Schönrade 2005, S. 21f.).
Also bewegen sich die Kinder immer mehr weg vom Kindsein hinzu einem schnellen Erwachsenwerden. Der Ganztag kann ein Raum sein, der es den Kindern ermöglicht wieder Kind zu sein. In der Studie zu einem Ganztag aus der Perspektive von Kindern im Grundschulalter wird dargestellt, dass Kinder sich nicht nur in schulischen Strukturen bewegen wollen, sondern dass sie vielmehr in flexiblen und individualisierten (Arbeits-)Settings arbeiten können, in denen sie auch ihre sozialen Kompetenzen fördern (vgl. Walther, Netwig-Gesemann & Fried 2021). Dabei soll vor allem darauf verzichtet werden, eine Hausaufgabenbetreuung anzubieten, die einem Frontalunterricht gleicht. Kinder sollten eher die Möglichkeit bekommen eine Bildung in ihrer unmittelbaren Umwelt zu erfahren. Das Arbeiten an und in der Natur könnte dies fördern.
Auch das emotionale Stadium gehört zu der unmittelbaren Lebenswelt der Kinder (ebd.). Dazu zählt z.B., dass die Kinder lernen ihre Freundschaften zu pflegen und dies, ohne von außen beeinflusst zu werden. Es gilt also für einen kindgerechten Ganztag, dass sich mit Themen auseinandergesetzt wird, die für die Kinder in ihrem Alter und ihrer Entwicklungsphase wichtig sind. Um diese Themen allerdings besprechen zu können, bedarf es eine Menge an Vertrauen. Dieses Vertrauen kann sowohl zu dem pädagogischen Personal als auch unter den Kindern entstehen. Das Fördern dieser positiven Peerkultur ist eine wichtige Aufgabe des Ganztages.
Des Weiteren gilt es auch multiprofessionelle Zusammenarbeit zu fördern. Somit bekommen die Lehrkräfte Hilfe bei der Umsetzung pädagogischer Prozesse und die Pädagog:innen bekommen Hilfe bei der Umsetzung von Lernangeboten. Dabei werden die Kinder als ganzheitlich betrachtet und ihnen wird auf Augenhöhe begegnet, mit Freundlichkeit und Respekt (ebd.).